Essener Landtagsabgeordnete Britta Altenkamp kämpft um Aufklärung im Lügde-Fall

Verfahren um Akteneinsicht vor dem Landesverfassungsgericht gestartet

Es geht um Aufklärung systemischer Fehler und Verlässlichkeit für zukünftige Untersuchungsausschüsse

Essen/Münster/Düsseldorf. Seit Juli 2019 arbeiten die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses IV daran, die Vorkommnisse rund um einen der größten Fälle von organisiertem Kindesmissbrauch in der Geschichte Nordrhein-Westfalens aufzuarbeiten. Von Beginn an erwies sich vor allem eins als größtes Hindernis bei dieser wichtigen Arbeit: Die fehlende Einsicht in relevante Ermittlungsakten. So wartet der Ausschuss noch immer auf rund 125.000 Seiten zugesagter Akten, um sie sichten und auswerten zu können. Einer der Gründe: Die Akten sollen anonymisiert werden, um vor allem die Identitäten der Opfer zu schützen. Diese Absicht ist richtig und unterstützenswert. Doch das gewählte Verfahren überfordert das zuständige NRW-Justizministerium dermaßen, dass zugesagte Lieferungen seit mittlerweile einem Jahr auf sich warten lassen. Da die Parlamentarier alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel ohne Erfolg ausgeschöpft haben, sahen sie sich gezwungen, den Gerichtsweg einzuschlagen. Am vorletzten Dienstag (23.03.2021) fand dazu die erste Anhörung vor dem Landesverfassungsgericht in Münster statt. In rund sechs Wochen wird ein Urteil erwartet.

Eine der Klagenden ist die Essener SPD-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der NRW-Kinderschutzkommission, Britta Altenkamp. Zur Bedeutung dieses Verfahrens für die Arbeit im Untersuchungsausschuss erklärt Altenkamp:

„Es geht im Untersuchungsausschuss darum, die Systematiken des behördlichen Umgangs mit den Missbrauchsfällen von Lügde nachzuzeichnen. Wo endet die Zuständigkeit des Jugendamtes und wo beginnt die der Polizei? Wie sind die Übergänge geregelt? Wo liegen die Fehlerquellen? Unser Ziel ist es nicht, vor allem persönliches Fehlverhalten anzuprangern, sondern das gesamte System auf den Prüfstand zu stellen, damit daraus Konsequenzen gezogen werden. Das ist für einen besseren Schutz unserer Kinder absolut unerlässlich. Wir müssen dafür sorgen, dass weitere Fälle wie Lügde unmöglich werden. Leider ist diese Arbeit unter den derzeitigen Umständen schlichtweg unmöglich. Ohne die nötigen Akten stochern wir im Nebel und sitzen seit fast zwei Jahren an einem lückenhaften Flickenteppich, der kein verlässliches Gesamtbild ergibt. Das muss sich ändern – deshalb sind wir den Schritt gegangen, vor Gericht zu ziehen.“

Altenkamp betont, dass es neben der Bedeutung für den konkreten Fall Lügde eine weitere Dimension in dem Gerichtsverfahren gibt: „Letzten Endes geht es auch darum, für zukünftige parlamentarische Untersuchungsausschüsse Rechtssicherheit herzustellen. Diese Gremien gehören zu den wichtigsten Instrumenten zur Kontrolle von Regierungshandeln. Mit dem Urteil könnten die Rahmen- und Arbeitsbedingungen dieser Ausschüsse sowie ihre Rechte und die Pflichten staatlicher Institution ihnen gegenüber maßgeblich konkretisiert und gesichert werden.“