
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist in der Tat eine spannende Entwicklung, die wir heute Morgen erleben konnten, denn der Kollege Lindner sagte, wir redeten hier über Bundespolitik, um vom eigenen Versagen abzulenken.
Ich habe eher den Eindruck gehabt, Herr Lindner: Sie reden über Bundespolitik, und zwar aus folgenden Gründen: Sie wollen quasi wie ein Illusionist die Dinge, die Sie zum Thema „Betreuungsgeld“ gesagt haben, vergessen machen und schnell verschwinden lassen. Und: In Wahrheit haben Sie sich eingemischt, weil Sie sich hier zum Thema „Parteivorsitzender in Lauerstellung“ gerieren wollten.
(Zurufe von der FDP: Oh!)
Zweitens. Der Kollege Laumann ist in die Bütt gegangen, weil er eines nicht zulassen kann, nämlich dass morgen in der Zeitung steht, der einzig wahre Oppositionsführer in diesem Hause sei Kollege Lindner. Das ist doch der Punkt!
(Beifall von der SPD)
Dafür, Herr Laumann, stellen Sie etwas in den Raum, was überhaupt niemand hier jemals gesagt hat.
(Armin Laschet [CDU]: Frau Löhrmann hat das gesagt!)
Es ist mit keinem Wort bestritten worden, dass die Familie für die Sozialisierung und die Erziehung der wichtigste Ort überhaupt ist. Niemand zieht das hier in Zweifel.
(Armin Laschet [CDU]: Frau Löhrmann tut das!)
In der Debatte heute Morgen, Herr Laschet, hat das niemand gesagt. Wenn es also eines Anlasses bedurft hatte, dann ist es einzig und allein der, dass der Kollege Lindner in die Bütt gegangen ist. Das ist der Grund, kein anderer. Machen Sie also den Leuten nichts vor!
Was ist so falsch am Betreuungsgeld? – Zunächst einmal ist es etwas, was sehr wichtig ist: die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Der schwarz-gelben Bundesregierung sind eben nicht alle Kinder gleich viel wert. Statt für alle Kinder möglichst viele Chancen und eine große Chancengerechtigkeit bei der Bildung zu schaffen, wird das Fernhalten der Kinder von der Kita belohnt. Darum können Sie auch nicht herumschwurbeln. Das ist das, was da stattfindet!
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Herr Laumann, die Spitze ist Ihre Einlassung, wir sollten angesichts der Tatsache, dass wir das Versprechen, den Rechtsanspruch zu erfüllen, nicht würden einhalten können, doch froh sein, dass die Bundesregierung das Betreuungsgeld einführt. Oder habe ich Sie da gerade falsch verstanden? – Das kann doch wohl nicht wahr sein! Wollen Sie mir erzählen, dass Schwarz-Gelb den Ländern mit dem Betreuungsgeld helfen will? – Das ist doch nicht zu fassen!
Schauen Sie nach Norwegen und Thüringen. Schauen Sie in die Länder, die das Betreuungsgeld haben. Die alle kommen aus zwei Gründen schwer ins Nachdenken, weil sich eines gezeigt hat: Kinder, die Bildung – und insbesondere frühe Bildung – nötig haben, kommen wesentlich später in die Kita.
Herr Kollege Laumann, wir können uns hier über den U3-Ausbau noch lange unterhalten, streiten und uns gegenseitig die Schuld zuschieben. Ich könnte Ihnen aber zum Beispiel von mehreren Kommunen erzählen, wo es die CDU-Kollegen sind, die Ratsmitglieder der CDU, die einen Kita-Neubau verhindern.
(Zurufe von der CDU)
– Sehen Sie ganz aktuell nach Bielefeld! – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir sollten, was das betrifft, wirklich langsam aber sicher an den Punkt kommen, alles dafür zu tun, dass den Eltern in Nordrhein-Westfalen, die ein Kind unter drei Jahren in eine Kita geben wollen, auch die Möglichkeit dazu eröffnet wird; denn das ist wirkliche Wahlfreiheit.
Ich will jetzt noch einen Punkt anführen, der mich beim Betreuungsgeld ganz besonders stört. Eigentlich kann ich gar nicht fassen, dass das von der CDU so betrieben wird.
Ein eherner Grundsatz lautet: Nichteinmischung des Staates in die Lebensweise bei der Familienförderung. Was Sie mit dem Betreuungsgeld machen, ist das ganze Gegenteil davon. Sie belohnen bestimmte Lebensmodelle. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist schon eine ganz besondere Variante.
Eine noch schlimmere Variante ist das, was der jetzt abgeschlossene Kuhhandel beinhaltet: Jetzt soll es auch noch so etwas wie ein Bildungs-Riester geben. Das heißt, ob ein Kind in eine Kita geht oder nicht, hängt nicht zuletzt davon ab, wie die Altersvorsorge der Eltern stattfindet. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann doch nicht wahr sein! Wir reden doch überhaupt nicht über die Kinder, wir reden einzig und allein darüber, wie für die Eltern eine andere Situation geschaffen werden kann.
Die Kollegin Asch hat völlig recht: Es geht hier überhaupt nicht mehr um die Chancen für Kinder, sondern einzig und allein darum, wie Sie möglichst über die nächste Bundestagswahl kommen können. Das ist das eigentlich Peinliche daran. Dass Sie dann auch noch so tun, als seien Sie die Gralshüter der Familienförderung, ist nun wirklich nicht zu fassen.
(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)
Wahlfreiheit sei das – so der Kollege Kern –, was Sie antreibe. – In Wahrheit aber sind Sie überhaupt nicht wirklich zur Wahlfreiheit bereit, sondern Sie versuchen, an einem alten Lebensmodell, das insbesondere in den großen Städten für viele Menschen überhaupt kein Zukunftsmodell mehr ist, mit Mühe festzuhalten. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Der Weg der CDU in NRW zur Großstadtpartei ist noch ein langer Weg. So werden Sie das sicherlich nicht erreichen.
(Beifall von der SPD)
Die Kollegen der FDP – das kann ich Ihnen nicht ersparen – bitte ich, in die Zeitung von gestern zu schauen. Ich denke, es wird in den nächsten Tagen auch noch ein bisschen deutlicher werden: Das, was Sie mit Ihrem Bildungs-Riester hineinverhandelt haben, führt doch dazu, dass die prognostizierten 2 Milliarden € für das Betreuungsgeld überhaupt nicht ausreichen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihre Partei hat sich doch wohl ziemlich über den Tisch hat ziehen lassen; denn die 2 Milliarden € sind doch wohl als Kompensation dafür gedacht, dass Sie die Praxisgebühr abgeschafft haben. Das ist eine gute Maßnahme, die – das ist überhaupt keine Frage – längst überfällig war. Wenn das Betreuungsgeld aber teurer wird, dann sollten Sie sich langsam auf den Weg begeben und versuchen, dafür auch noch eine Kompensation zu finden, um den Kuhhandel endgültig perfekt zu machen.
Eines ist – ob nun 2 Millionen € oder 3 Milliarden € – wirklich klar: Sie entziehen mit dem Betreuungsgeld der Bildungsinfrastruktur Geld, das da gut gebraucht werden könnte und was den Kindern in den Kitas auch tatsächlich zugutekommen würde.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen wir auf einen Systemwechsel. Wir setzen auf eine Kindergrundsicherung, denn all die vielen, vielen Maßnahmen, die wir in der Zwischenzeit hier, um angeblich die Kinder und die Familien zu fördern, führen am Ende zu nichts. Ein bürokratisches Monster ist das, was Sie mit dem Bildungs- und Teilhabepaket 2.0 in der Zwischenzeit geschaffen haben.
Deshalb kann ich nur raten: Liebe Kolleginnen und Kollegen, überlegen Sie sich, was Sie da getan haben, und tun Sie nicht so, als ob Sie in irgendeiner Form die Familien im Blick gehabt hätten. Sie haben nichts anderes im Blick gehabt als die Bundestagswahl im nächsten Jahr. Wenn die Bundestagswahl anders ausgeht als von Ihnen erhofft, ist das Betreuungsgeld genauso schnell wieder Geschichte, wie es eingeführt worden ist. – Herzlichen Dank.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Wie in Thüringen!)