
Herr Präsident!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Ich will versuchen, die Diskussion wieder ein bisschen von der ideologischen Überhöhung herunterzuholen. Ich will Ihnen auch erklären, warum. Meine Eltern haben 37 Jahre lang einen kleinen gastronomischen Betrieb gehabt. Meine Eltern haben mir auf diese Art und Weise meine Ausbildung ermöglicht. Vor dem Hintergrund glaube ich, dass ich weiß, wovon ich rede. Ich kenne zwei, drei Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion, die auf eine ähnliche Vita zurückblicken. Trotzdem ist man manchmal ein bisschen überrascht, wie hier Dinge überhöht werden. Denn in Wahrheit geht es um Existenzen – ja, und das ist nicht geringzuschätzen –, es geht nicht um solch grundsätzliche Fragestellungen wie Freiheit oder das Recht auf Selbstschädigung.
(Zuruf von der CDU: Doch!)
Wir müssen ein Gesetz, das sich in der Praxis an einigen Stellen als absolut funktionslos erwiesen hat, in einen Stand setzen, dass es seinen Zweck, nämlich den Nichtraucherschutz, auch tatsächlich erfüllt.
Herr Preuß, es ist schon ganz schön frech, wenn Sie hier sagen: Das ist ein gutes Gesetz. – Haben Sie den April letzten Jahres vergessen, als Ihnen das OVG Nordrhein-Westfalen erst mal die Raucherclubs zerschossen hat? Das verzeihe ich dem DEHOGA übrigens nicht so schnell, dass er Aufkleber verteilt und sagt: Wenn du das an deiner Tür hast, dann bist du ein Raucherclub. – Mit dem Spruch des OVG war aber klar, dass das nicht so einfach ist; genau das ist nämlich nicht erlaubt.
(Beifall von der SPD)
Schauen Sie sich das Gesetz an: Ein Raucherclub muss Mitglieder nachweisen und andere Dinge. Das sind Diskussionen, die bei Ihnen heiß umkämpft waren. Tun Sie doch nicht so! Es ist ein Staatssekretär zurückgetreten, vermeintlich deshalb, weil ihm das Nichtraucherschutzgesetz nicht konsequent genug war. Ich will auch daran erinnern, dass Herr Kollege Henke hier stand und gegen seine Fraktion gesprochen hat. Vor diesem Hintergrund, Kollegen, tun Sie nicht so, als wenn Sie alles schon von vornherein immer gewusst hätten!
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Auch in Ihren Fraktionen, insbesondere in der CDU-Fraktion, war zu schwarz-gelben Zeiten das Nichtraucherschutzgesetz hart umkämpft.
Die Geschichte mit dem Raucherclub ist seit dem Spruch des OVG tot.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Abgeordnete, entschuldigen Sie! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Britta Altenkamp (SPD): Nein, keine Zwischenfragen. – Seit diesem Moment ist klar, dass das Nichtraucherschutzgesetz angepackt werden muss.
Darüber hinaus haben Sie eine Evaluation beschlossen. Gucken Sie sich die Ergebnisse an. Da wird ganz deutlich, dass der Kinder- und Jugendschutz nicht konsequent und sicher genug ist. Vor diesem Hintergrund gibt es auch da eine Änderungsnotwendigkeit.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Jetzt sage ich mal für meine Fraktion: Ja, im Koalitionsvertrag von Rot-Grün steht: „konsequent und rechtssicher“. – Ich will Ihnen jetzt mal kurz erklären, warum das so ist. Wenn beispielsweise die Regelung des Raucherclubs weder konsequent noch rechtssicher und deshalb obsolet ist, dann muss man doch schauen, was an der Stelle jetzt zu retten ist.
Aber Kollege Lindner, so einfach, wie Sie sich das mit Hamburg machen, ist es nicht. Denn in der Zwischenzeit ist in Hamburg ein Urteil des Verfassungsgerichts ergangen. Das besagt Folgendes: Wenn man eine kleine Raucherkneipe mit 75 m² erlaubt, wie das Bundesverfassungsgericht es ermöglicht, dann gibt es – da sind die Kläger erfolgreich gewesen – Regelungsbedarf für Mehrraumkneipen, die einen gesonderten, abgetrennten Bereich haben. Und davon reden wir! Wir reden an der Stelle von einer Wettbewerbsverzerrung, die aufgelöst werden muss.
Das Verrückte daran ist: Bislang hat es im Bundesgebiet noch niemanden gegeben, der zwischen dieser Zwinge eine wirklich rechtssichere Formulierung gefunden hat. Vor diesem Hintergrund müssen wir im Anhörungsverfahren schauen, wie wir diesen Bruch zwischen Raucherkneipen und Mehrraumkneipen mit abgetrennten Bereichen auflösen. Wir wollen uns in der Expertenanhörung hier in Nordrhein-Westfalen in aller Ruhe anhören, ob es dazu gute Vorschläge gibt. Meine Fraktion ist die letzte Fraktion, die sagt: Dann lassen wir das alles weg. – Vielmehr werden wir, wenn es rechtssichere Formulierungen gibt, versuchen, diese im Gesetz Eingang finden zu lassen.
(Beifall von der SPD)
Ein anderer Punkt sind die geschlossenen Gesellschaften. Es ist richtig: Das ist ein schwieriges Geschäft. Aber es ist nicht schwierig wegen der Frage, was passiert, wenn die ganze Kneipe als geschlossene Gesellschaft gilt. Das ist deshalb schwierig, weil es in das Berufsrecht der Gastwirte eingreift! Es muss geklärt werden, ob man geschlossenen Gesellschaften das Rauchen überhaupt verbieten darf oder nicht. Vor diesem Hintergrund und nicht mit Ihren ideologischen Initiierungen muss man das klären.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Zu den Brauchtumsveranstaltungen. Ich habe für jeden Verständnis, der darauf hinweist, dass Brauchtumsveranstaltungen ehrenamtlich getragen sind und man an der Stelle schauen muss, was man den Vereinen zumutet und wie man es den Vereinen ermöglicht, ihre Brauchtumsveranstaltungen überhaupt noch wirtschaftlich tragfähig durchzuführen.
Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Witzel?
Britta Altenkamp (SPD): Nein.
(Zurufe von der FDP: Oh!)
Diese Frage gehört in das Anhörungsverfahren. Nach der Struck‘schen Regel, dass kein Gesetzentwurf das Parlament so verlässt, wie er eingebracht wurde: Lassen Sie uns im Gesetzgebungsverfahren doch gemeinsam gucken, was man wie verändern kann.
Vor diesem Hintergrund kann ich für meine Fraktion sagen: Wir sind offen für vernünftige, konsequente, rechtssichere Formulierungen beim Nichtraucherschutz. Aber außer ideologischer Überhöhung ist bei Ihnen heute nichts gekommen.
(Beifall von der SPD)
Dann sage ich Ihnen noch Folgendes: Was ich an Ihrem Gesetz immer schlecht gefunden habe, ist, dass es sich nie mit einer Folgenabschätzung beschäftigt hat, nämlich zum Beispiel mit der Frage, was mit der ganzjährigen Außengastronomie ist. Darum haben Sie sich immer gedrückt. Dazu sagen Sie auch heute kein Wort.
Kollege Lindner, wir werden uns ganz sicher mal darüber unterhalten müssen, was herauskommt, wenn am Ende nur noch im öffentlichen Raum – auf der Straße und vor Kneipen unter freiem Himmel – geraucht werden darf. Das ist ein ideologischer Streit, den ich gern mit Ihnen führen würde. Aber hier die Grünen heißzukochen und von einer Verbotspartei zu sprechen, während Sie gleichzeitig sagen, Sie seien die Partei der Freiheit, ist purer Unsinn und sehr albern. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Der Kollege Romberg hat sich in der letzten und vorletzten Legislaturperiode dafür gefeiert, dass er sich für einen konsequenten Nichtraucherschutz im öffentlichen Raum eingesetzt hat. Er hat auch eingestanden, dass, wenn es nach ihm gegangen wäre, das Gesetz noch konsequenter gewesen wäre. Wir alle tragen in uns ein zweischneidiges Schwert. Tun Sie nicht so, als ob Sie diese Frage schon völlig geklärt hätten.
Ich freue mich darauf, im parlamentarischen Verfahren konstruktive und gute Vorschläge zu bekommen, wie dieses Gesetz verändert werden soll. Sie müssen dabei aber auf der einen Seite konsequenten Nichtraucherschutz sicherstellen und auf der anderen Seite Ausnahmeregelungen rechtssicher darstellen. Das ist der entscheidende Punkt, und dazu ist von Ihnen heute nichts gekommen. – Herzlichen Dank.
(Anhaltender Beifall von der SPD und den GRÜNEN)