
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!
Lieber Kollege Bernhard Tenhumberg,
ich kann das so gut nachvollziehen, was Sie hier heute gemacht haben, weil ich mich sehr gut erinnern kann, dass einer meiner Lieblingsmonate für KiBiz-Debatten der Oktober war. Denn das war ungefähr der Zeitpunkt, zu dem die Bundesstatistik herauskam. Ich kannte das Ergebnis, und Sie konnten das Ergebnis auch immer voraussehen.
Ich erinnere mich an eine sehr interessante Debatte, weil alle immer behauptet hatten, NRW sei wahnsinnig vorangekommen. Im Jahr 2009 musste der Kollege Laschet, damals noch Minister, dann bekennen: NRW war Schlusslicht, NRW ist Schlusslicht, und NRW wird auch vermutlich Schlusslicht bleiben. Das war dann einer meiner nettesten Momente. Und deswegen habe ich mich immer auf den Oktober gefreut, weil ich wusste, dass die Debatte diesen Verlauf nehmen wird.
Deshalb habe ich, als ich Ihre Anträge gesehen habe, zum Antrag der FDP gesagt: Mensch, wenn du in der Situation wärst, du hättest den Antrag auch geschrieben haben können.
(Andrea Asch [GRÜNE]: Unsere waren besser!)
– Unsere Anträge waren natürlich wesentlich fundierter, inhaltlich auch noch viel ausgereifter, gar keine Frage – aber geschenkt.
(Heiterkeit)
Vom Inhalt her und vor dem Hintergrund kann ich das aber durchaus nachvollziehen.
Also: NRW ist Schlusslicht, und das ist der Anlass für Ihre Antragstellung gewesen. Das kann auch niemanden verwundern, wenn er die Systematik und die Geschichte kennt, die diese Statistik hat. Jetzt will ich nicht darüber sprechen, dass wir über unterschiedliche Stichtage reden. Dabei hat sich Herr Laschet schon einmal verheddert. Am Ende interessiert das auch keinen. Punkt ist, was auf dem Papier steht, nämlich: In keinem anderen Bundesland in Westdeutschland sind so wenig Plätze für unter Dreijährige am 01.03.2011 in den Kindergärten vorhanden gewesen wie in Nordrhein-Westfalen.
Aber Frau Schäfer hat daraus die richtigen Konsequenzen gezogen. Denn das muss ich doch auch sagen: So, wie Sie immer gefordert haben, dass sich alle einmal zusammensetzen, haben wir das doch auch gefordert. Was ist denn die Folge gewesen? Es ist doch nichts passiert. In Ihrer Regierungszeit hat es doch seit Implementierung und Inkrafttreten des KiBiz keine großen Trägerkonferenzen mehr gegeben. Warum? – Weil sich mit Ihnen doch keiner mehr zusammensetzen wollte, nachdem Sie dieses KiBiz verursacht haben.
(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)
Aber egal! Frau Schäfer hat jetzt alle Beteiligten eingeladen. Ich finde es genau so, wie Frau Butterwegge gesagt hat, ausgesprochen richtig, dass eben auch die Fraktionen des Landtags an dieser Krippenkonferenz teilnehmen. Wir werden da einiges erleben. Diese Schuldzuweisungen, die wir hier gegenseitig betreiben, sind für diejenigen, die da an den Konferenztisch kommen, gar nicht erheblich.
(Beifall von der LINKEN)
Erheblich ist vielmehr für die Kommunen wie für Eltern, aber auch für Träger, dass eine Perspektive aufgezeigt wird, wie der Rechtsanspruch 2013 fortfolgende Jahre dann auch tatsächlich beantwortet werden kann.
Jetzt frage ich ohne Schuldzuweisung: Wie konnte es eigentlich so weit kommen, dass wir hier in Nordrhein-Westfalen uns seit drei Jahren konstant um dieselbe Problematik drehen und überhaupt nicht vorankommen? Das ist den Eltern auch nicht erklärbar.
Ich will Ihnen das beantworten: Das TAG 2004, das Tagesbetreuungsausbaugesetz, ging damals von einer Versorgungsquote von 17 % aus, wovon 20 % im Zwei- bis Dreijährigen-Bereich und deutlich darunter im Null- bis Einjährigen-Bereich war.
Überlegen Sie einmal: Die Zielmarke 17 % hätten wir auch nicht erreicht, wenn wir gar nichts gemacht und gar nicht diskutiert hätten. Vor dem Hintergrund muss man sagen: Die Nachricht, dass 32 oder 35 % oder eben auch 17 % nicht ausreichend sind, bewegen wir hier seit vier Jahren gegenseitig, weil wir wissen, dass es in den Kommunen, insbesondere im Ballungsraum, einen viel, viel höheren Bedarf gibt, und auch alle gemeinsam wissen, dass sich in der Zwischenzeit das Verhältnis zur Kita-Betreuung möglichst den ganzen Tag und das Erleben der Eltern ganz anders darstellt als noch vor fünf, sechs Jahren. Das ist doch der Grund, warum insbesondere die CDU-Frauen im Augenblick gegen das Betreuungsgeld Sturm laufen: weil doch auch in der CDU inzwischen klar ist, dass Kita-Betreuung immer besser ist als alles andere.
(Widerspruch von der CDU)
– Ja, doch. Die Kinder profitieren davon jedenfalls deutlich mehr, und es ist so, dass es der beste Einstieg ins Bildungssystem ist. Daran gibt es in der Zwischenzeit ja selbst in der CDU auch keine großen Zweifel mehr.
Der Punkt ist: Diese Einsparungen, die für den U3-Ausbau 2004 – Kosten der Unterkunft – genutzt werden sollen, hat es nicht gegeben. Ich sage mal ganz einfach, wie wir im Ruhrgebiet das nennen: „Ohne Arme keine Kekse, ohne Geld kein Likörchen“. An der Stelle ist das ganz schnell erklärt: Ohne Geld, ohne Einsparungen kein Ausbau! – Vor dem Hintergrund kam der Krippengipfel 2007, weil ja schon 2006 deutlich war, dass das TAG kein geeignetes Mittel ist, den Ausbau in irgendeiner Form voranzubringen und irgendwie Bedarfe zu beantworten.
Dann kam der Krippengipfel 2007 zu dem Ergebnis: 4 Milliarden € Bundesmittel stehen insgesamt zur Verfügung, davon 481 Millionen € in Nordrhein-Westfalen, Zielmarke 32 %. Das wurde hier von niemandem infrage gestellt, aber wir haben immer gesagt: Vermutlich wird sich schon 2013 die Situation so darstellen, dass es deutlich mehr als 32 % der Eltern sein werden – in einigen Bereichen auf jeden Fall –, die einen Platz haben wollen, und deshalb müssen wir insbesondere in Ballungsräumen zusehen, wie der Ausbau gelingen kann.
Dann haben Sie mit dem KiBiz diese Strategie ziemlich konterkariert. In NRW wurden diese Mittel damals ja noch nicht einmal an die Kommunen durchgeleitet, sondern sie wurden ins KiBiz gesteckt. Es hat im Prinzip in Nordrhein-Westfalen nie ein eigenes Engagement des Landes bis 2010 gegeben.
Jetzt muss das Land, um überhaupt noch in irgendeiner Form annäherungsweise in die Bedarfsdeckung zu kommen, selber Geld in die Hand nehmen. Die 32 % sind nur unter erheblichen Anstrengungen seitens des Landes Nordrhein-Westfalen überhaupt zu erreichen, wobei wir wissen, dass die nicht ausreichen werden. Daran hat Frau Schäfer auch nie einen Zweifel gelassen.
Dann kann ich Ihnen zwei Dinge nicht ersparen. Das eine ist, dass Frau Schröder sich jetzt hinstellt und sagt: Eigentlich muss die Zielmarke 35 % sein. – Sie sagt aber nicht, wie die 35 % erreicht werden können, denn auch die Bundesfamilienministerin müsste ja wissen, dass das nur geht, wenn sie zusätzliches Geld zur Verfügung stellt. Deshalb unsere Forderung nach einem zweiten Krippengipfel!
Der zweite Punkt ist das Betreuungsgeld von 2 Milliarden €. Stellen Sie sich einmal vor, diese 2 Milliarden € würden der Infrastruktur zur Verfügung stehen. Das würde für Nordrhein-Westfalen bedeuten, dass wir rund 200 Millionen € mehr in die Infrastruktur stecken können. Das wäre eine wirkliche Hilfe.
Ich will noch etwas zu Herrn Hafke sagen: Krippenabgabe für Unternehmer. – Nirgendwo in unserem Antrag ist das gemeint. Aber Sie als Steuersenkungspartei können doch nicht umhin zu sagen, dass eine höhere Erwerbsquote bei den Familien, vor allen Dingen bei den Frauen, dazu führen wird, dass es ein höheres Steueraufkommen gibt. Genau davon profitiert der Bund am meisten. Dieser Zusammenhang ist gemeint. Ich hoffe, Herr Hafke, dass Sie das jetzt verstanden haben.
Frau Doppmeier, zu Ihnen möchte ich auch noch zwei Anmerkungen machen. Nach Ihrer Denke droht, dass der U3-Ausbau zulasten des bestehenden Rechtsanspruches stattfindet. Frau Doppmeier, wissen Sie, was ein wirksames Mittel dagegen ist? – Der Einstieg in die Beitragsbefreiung. Das ist dagegen ein wirksames Mittel, weil es sich nämlich für die Kommunen überhaupt nicht mehr rechnet, Mittel für den U3-Ausbau umzuleiten und die Plätze umzuwandeln. Das lohnt sich nicht mehr. Wenn Sie mit der Beitragsbefreiung im letzten Kindergartenjahr anfangen, ist das ein wirksames Mittel dagegen. Sie werden das erleben.
Vizepräsidentin Gunhild Böth: Entschuldigung, Frau Altenkamp, ich muss Sie einen Moment unterbrechen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zurzeit herrscht ein großes Gemurmel in diesem Saal.
(Zuruf von der CDU)
– Nein, nicht bezogen auf den Vortrag von Frau Altenkamp, sondern insgesamt sind hier sehr viele Menschen in Gesprächen. Ich möchte Sie bitten, diese Gespräche nach draußen zu verlegen, damit die Kollegin nicht pausenlos gegen eine solche Geräuschwand anreden muss.
Entschuldigung, Frau Altenkamp, Ihre Redezeit.
Britta Altenkamp (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Dann hatten Sie gesagt, Frau Doppmeier, dass die CDU die Ausbaukontrolle – diesen Aspekt, den Frau Schröder seitens der Bundesebene noch genannt hat – mit unterstützt. Das kann ich nun gar nicht mehr nachvollziehen. Soll das heißen, dass Sie auch der Auffassung sind, dass das, was Sie mit dem KiBiz gemacht haben, nämlich die Kommunalisierung der Verantwortung auch für den U3-Ausbau, als Fehler eingestehen und sagen, das Land müsse das jetzt stärker steuern, und deshalb die Ausbaukontrolle fordern? Habe ich Sie da richtig verstanden?
(Zuruf von Ursula Doppmeier [CDU])
Das können wir ja demnächst im Ausschuss weiter diskutieren.
Ein letzter Punkt! Bernhard Tenhumberg hat gesagt: Für die CDU ist und bleibt die Qualität das Wichtigste bei der gesamten Frage der Kinderbetreuung. – Bernhard Tenhumberg, ganz im Ernst: Wenn das wirklich die Antriebsfeder der CDU hier im Hause wäre, dann hättet ihr das KiBiz niemals auf den Weg bringen dürfen.
(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)
Denn es gibt keinen Nachweis über einen größeren Qualitätsabbau als seit dem Moment, seitdem das KiBiz in Kraft ist. – Herzlichen Dank.
(Beifall von der SPD)