Erstes Gesetz zur Änderung des Kinderbildungsgesetzes und zur Änderung des Ersten Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes – Erstes KiBiz-Änderungsgesetz

Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich muss einen Dank an den Kollegen Laschet loswerden, weil er es mit diesem „guten Gesetz“, wie Kollege Tenhumberg formuliert hat, geschafft hat, mir zu einem Lebensthema zu verhelfen. Als Vorsitzende eines Trägervereins kämpfe ich seit vielen Jahren damit, zu erkennen, dass es ein gutes Gesetz ist.

Kollege Tenhumberg, ich habe Sie bei mehreren Veranstaltungen sagen hören, dass Sie all das, was wir in der ersten Stufe der KiBiz-Revision machen, auch gemacht hätten. Im gesamten Wahlkampf haben Sie immer wieder erzählt: Ja, da müssen wir noch einiges ändern. – Wenn das ein so gutes Gesetz war, warum haben Sie dann von Anfang an auch im Wahlkampf eine eher defensive Haltung eingenommen und gesagt: „Da müssen wir noch einiges verändern und die Evaluation abwarten“?

(Beifall von der SPD, von den GRÜNEN und von Dr. Carolin Butterwegge [LINKE])

Ein anderer Punkt, der mir aufgefallen ist und sehr gefallen hat, ist die Lobhudelei auf die Kindpauschale. Seien Sie sich absolut gewiss, in der zweiten Revisionsstufe des sogenannten Kinderbildungsgesetzes wird es auch um das Thema „Kindpauschale“ gehen.

(Beifall von der SPD und von Dr. Carolin Butterwegge [LINKE])

Der Grund ist: Schon heute ist auch in der Evaluation erkennbar, die Kindpauschale ist weder unbürokratisch noch auskömmlich, und zum anderen führt sie überhaupt nicht dazu, dass Träger in Nordrhein-Westfalen das Gefühl haben, dass das, was sie in ihren Einrichtungen an früher Bildung leisten, durch diese Kindpauschale auch nur im Ansatz durch die Landespolitik wertgeschätzt wird. Deshalb seien Sie gewiss: An die Kindpauschale und an die Struktur werden wir rangehen.

(Beifall von der SPD und von Dr. Carolin Butterwegge [LINKE])

Dann hat mir Ihr Blick in die Vergangenheit sehr gefallen, weil Sie eine Debatte wiedergegeben haben, die 2003 zu einem Antrag der FDP geführt worden ist. Das sage ich auch dem Kollegen Hafke, der sich gleich zum Thema Beitragsfreiheit verbreiten wird: Ihre Fraktion war die erste, die beantragt hat, das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei zu stellen. Das ist das eine.

Das Zweite ist, Kollege Tenhumberg: Wissen Sie, was Sie ausgelassen haben? Den Wortbeitrag Ihres damaligen jugend- und familienpolitischen Sprechers, der sich damals auch ganz massiv gegen den FDP-Antrag gewandt und gesagt hat, dass das zu dem Zeitpunkt 2003 purer Populismus war.

Ich erinnere mich an eine Diskussion, die wir später zum Thema U3-Ausbau geführt haben. Damals habe ich einen etwas längeren Zwischenvortrag von Herrn Dr. Papke zugelassen.

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Von mir?)

Er hat mich gefragt, ob mir bekannt sei, welche Fraktion die erste gewesen sei – das war 2006 –, die sich mit Beitragsfreiheit auseinandergesetzt hätte,

(Dr. Gerhard Papke [FDP]: Ach so!)

und wie wir zu dieser Wendung gekommen seien. Ich habe Ihnen damals geantwortet, wir hätten halt dazugelernt.

Aber klar geworden ist auch: Seit diesem Moment 2003 – in Regierungsverantwortung – hat es Ihr damaliger Koalitionspartner unterlassen, dies weiterzuverfolgen.

Herr Tenhumberg, Sie können uns doch nicht vorwerfen, dass wir eine Position entwickeln und in dem Moment umzusetzen beginnen, in dem wir die Chance dazu haben, weil wir an der Regierung beteiligt sind. Das kann doch wohl nicht wahr sein.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN – Zurufe von Bernhard Tenhumberg [CDU] und von Stefan Zimkeit [SPD])

Denn das hat eine ganze Menge mit Glaubwürdigkeit in der Politik zu tun.

Wir beraten heute die erste Stufe der Revision des sogenannten Kinderbildungsgesetzes. Die ersten wichtigen Änderungen will ich kurz darstellen.

Die Fallpauschale für den U3-Bereich ermöglicht die Schaffung weiterer U3-Plätze, aber auch eine Verbesserung der Personalausstattung. Das ist wichtig und insbesondere mit Blick auf die Qualität nicht zu verachten. Es wurde von vielen gefordert, wie Sie auch in der Anhörung mitbekommen konnten. Dadurch werden die Einsatzmöglichkeiten der Kinderpflegerinnen verbessert. Auch diese Forderung kam aus der Szene.

Vor diesem Hintergrund glaube ich, Herr Tenhumberg, das wir an dieser Stelle vertragstreu geblieben sind. Denn das haben wir angekündigt; die Notwendigkeit hierfür wurde in der Szene als sehr dringend empfunden. Beides – das wissen Sie – hat erhebliche Auswirkungen auf die Qualität.

Die Inklusion wird in den Einrichtungen verbessert; das ist ein wichtiger Punkt. Wäre das Gesetz gut gewesen, wäre das bereits besser gelungen. Sie haben damals versucht, mit dem sogenannten Kinderbildungsgesetz mehr Kinder mit Behinderung in die Einrichtungen und in mehr Einrichtungen zu bekommen. Diese Absicht habe ich nie bestritten; niemand von der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen hat das getan. Der Punkt ist bloß: Das ist nicht gelungen.

Im zweiten Jahr wurde deutlich, dass weniger Kinder mit Behinderung in die Kindertageseinrichtungen gekommen sind. Ein ganz großes Problem war immer, dass es für den Unter-Dreijährigen-Bereich der Kinder mit Behinderung überhaupt keine Lösung in Ihrem Gesetz gegeben hat, sondern sogar eine Schlechterstellung gegenüber den Kindern ohne Behinderung, die ganz normal in die Einrichtungen wollten.

Die Mitwirkung der Eltern wird verbessert. Jetzt besteht die Möglichkeit, einen Landeselternrat zu bilden, der finanziell unterstützt wird.

Die Verwendungsnachweise werden vereinfacht. Dieses Thema lag für die Entbürokratisierung dringend auf der Hand. Denn eines hat dieses sogenannte Kinderbildungsgesetz nie gebracht, nämlich die gewünschte Entbürokratisierung.

Die erste Stufe der Revision dieses sogenannten Kinderbildungsgesetzes stellt wichtige Weichen für die zweite Stufe. Aber natürlich müssen jetzt die Gespräche insbesondere mit den Trägern und mit den Kommunen schnellstens aufgenommen werden. Denn zumindest meine Fraktion sieht mit einiger Besorgnis die Fehlentwicklungen und Fehlwahrnehmungen insbesondere der kommunalen Familie bei der Aufgabenteilung der Finanzierung der frühkindlichen Bildung. Denn es kann nicht sein, dass das Land für einen Teil zuständig ist, während sich die Kommunen aus der Finanzierung zurückziehen.

Aber diese Diskussion ist ein Ausfluss aus der letzten Legislaturperiode und der Implementierung des Kinderbildungsgesetzes, weil die Kommunen miterleben mussten, dass durch das Kinderbildungsgesetz, aber auch durch den Umgang der schwarz-gelben Landesregierung mit dem KiföG eine Situation entstanden ist, in dem ihr Anteil an einem Kindertagesstättenplatz und an einem U3-Platz unglaublich stieg, während sich das Land immer stärker aus der Finanzierung zurückgezogen hat. So ist zu erklären, warum die Kommunen jetzt überaus zurückhaltend sind, wenn es darum geht, Finanzierungsgerüste für das zukünftige Kinderbildungsgesetz – ich hoffe, es wird nicht so heißen, denn der Name ist in der Zwischenzeit „verbrannt“ –, also für das zukünftige Kindertagesstättengesetz in Nordrhein-Westfalen hinzubekommen.

Ein wichtiges Thema – der Kollege Tenhumberg hat es angesprochen – ist die Beitragsbefreiung. Wir glauben nach wie vor, dass das nicht nur ein Kernstück von Wahlversprechen usw., sondern ein Kernstück der Verbesserung der Qualität und der Anerkennung der Bildungseinrichtung Kindertageseinrichtung ist.

Ich will Ihnen ein Beispiel aus meiner Heimatstadt nennen. Im letzten Jahr waren die größte Gruppe der Beitragszahler Familien mit einem Bruttojahreseinkommen von bis zu 37.000 €. In absoluten Zahlen waren das 1.974 Haushalte, also 13,3 % aller Haushalte mit Kindern in Kindertagesstätten. Diese Familien zahlen in Essen 159 € pro Kind plus Essensgeld. Verdient eine Familie nur 1 € brutto mehr, steigen die Beiträge in meiner Heimatstadt gleich auf 240 €. Was soll das sagen?

Wir entlasten mit der Beitragsbefreiung Familien mit mittleren und kleineren Einkommen direkt. Das ist immer noch besser, als auf Kindergelderhöhungen oder andere Dinge zu setzen.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Dafür – das sage ich Ihnen ganz offen – müssen wir uns weder schämen noch rechtfertigen. Denn bei einer Familie mit einem Jahreseinkommen von 37.000 € können Sie nicht von Besserverdienenden sprechen.

(Beifall von der SPD)

Diese Familien zahlen kaum Steuern, haben aber eine hohe Abgabenlast. Aus diesem Grund treffen sie Beiträge für Kitas und Bildungseinrichtungen umso härter.

(Ralf Witzel [FDP]: Dann können wir den Soli abschaffen!)

– Herr Witzel, bitte!

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE] – Heiterkeit von der SPD und von den GRÜNEN)

Ich sage ganz offen: Herr Kollege Tenhumberg, solange sich Ihre Fraktion und die nordrhein-westfälische CDU diesem sich abzeichnenden Unsinn des Betreuungsgeldes von einer Prämie in Höhe von 150 € dafür, dass man Kinder nicht in Kindertageseinrichtungen schickt, nicht entgegenstellen und offen zugeben, dass es sich um puren Unsinn handelt, brauchen wir uns von Ihnen familienpolitisch überhaupt nichts erzählen zu lassen.

(Beifall von der SPD und von Sigrid Beer [GRÜNE])

Dann kommt immer das Argument: Das Geld, das wir für die Beitragsbefreiung aufwenden, sollten wir besser in die Qualitätsverbesserung stecken. Der Weg, den die Landesregierung vorschlägt, stellt eine Qualitätsverbesserung 1:1 dar.

(Widerspruch von der CDU)

Denn er führt dazu, dass das Geld im System bleibt. Wenn eine Stadt wie meine Heimatstadt maximal 13 % beim Elternbeitrag generieren kann, aber 19 % beim Elternbeitrag erstattet bekommt und dieses Geld in den Kitas und nicht im kommunalen Haushalt verschwindet, dann kann ich Ihnen sagen: Dann ist Qualitätsverbesserung 1:1 gegeben. So wird ein Schuh daraus, Herr Tenhumberg.

(Beifall von der SPD)

Dann wird immer gefragt: Wie wird das finanziert? – Kollege Tenhumberg, Sie legen hier heute einen Antrag vor, mit dem Sie sagen: Alle Familienzentren sollen 15.000 € erhalten. Warum sind Sie eigentlich zu der Einsicht nicht schon früher gekommen? – Okay, lassen wir das einmal beiseite. Aber woher nehmen Sie das Geld denn? Das nehmen Sie aus dem Defizit, oder? Da steht doch nirgendwo, wie das finanziert wird.

(Bernhard Tenhumberg [CDU]: Doch!)

Dann sage ich auch einmal: Sie stellen hier Haushaltsanträge, mit denen Sie das gesamte Geld, das wir zusätzlich für die Kitas ausgeben wollen, im Prinzip streichen, und heute sagen Sie:

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Wir setzen uns für Qualitätsverbesserung ein. – Herr Tenhumberg, wie glaubwürdig sind denn solche Geschichten?

Noch ein Punkt: „Gutes Gesetz“. – Es ist kein gutes Gesetz. Was wir mit der ersten Revisionsstufe erkennen müssen, ist, dass es in der Systematik, so wie dieses Gesetz organisiert ist, nie ein wirklich gutes Gesetz sein kann.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)

Vor dem Hintergrund wird es eine gründliche Revision in der zweiten Stufe geben, sowohl beim Finanzgerüst als auch beim Namen. Auch der muss endlich vernünftig werden. Denn es ist ein Kinderbildungsgesetz ohne Bildung. Das bleibt dabei. Deshalb muss auch da dringend etwas geändert werden. Was soll an frühkindlicher Bildung eigentlich in den Kitas passieren? Darauf haben Sie bis heute keine Antwort geliefert, weder mit diesem Gesetz noch mit all den Beiträgen, die Sie in den letzten Wochen und Monaten gegeben haben. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und von den GRÜNEN)