Die Legende vom „kinderfreundlichsten Bundesland“ beenden – Eltern, Fachkräfte, Träger und Kommunen endlich ernst nehmen!

Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Herr Minister Laschet, ich denke, es ist deutlich geworden, was das eigentliche Problem Ihres Gesetzes ist. Letztlich stand ja die Grundabsicht der Kommunalisierung dahinter. Sie haben die Verantwortung für die frühe Bildung kommunalisiert. Sie haben die Verantwortung auf die Kommunen übertragen, und zwar nicht etwa, weil das dort Ihrer Ansicht nach am besten geregelt werden kann, sondern weil Sie auf diesem Weg verbrämen konnten, dass Sie nicht bereit waren, ausreichend Geldmittel zur Verfügung zu stellen.

So kommt es dann auch zustande, dass Sie als Minister sich die Unverschämtheit leisten, auf den Brief eines Kollegen aus Aachen folgendermaßen zu antworten:

Gerne teile ich Ihnen deshalb mit, dass die Stadt Aachen – wie im Übrigen alle andere Jugendämter auch – davon ausgehen kann, dass die zum 15. März im KiBiz.web gemeldeten U3-Plätze gefördert werden.

Dabei lassen Sie völlig aus, dass es in der Zwischenzeit landauf, landab wesentlich niedrigere Meldungen seitens der kommunalen Jugendämter und der kommunal Verantwortlichen gibt, als es tatsächlich Bedarf gibt. Das kann ich aus meiner Heimatstadt und aus mehreren Nachbarstädten im Ruhrgebiet berichten.

Woran liegt das? – Es steht nicht genug Geld zur Verfügung, und diese Landesregierung lässt die Kommunen in vielfacher Hinsicht im Stich. Insbesondere lässt sie die Mittel, die seitens des Bundes für das KiföG und die U3-Plätze zur Verfügung stehen, im Landeshaushalt versickern und leitet sie nicht, wie andere Bundesländer es tun, an die Kommunen weiter.

Ich will noch einmal das Thema Sprachförderung aufgreifen; das scheint ja Ihr letzter Rettungsring in dieser Diskussion zum sogenannten Kinderbildungsgesetz zu sein. Nehmen wir einmal an, Sie hätten tatsächlich mehr Geld für die Sprachförderung bereitgestellt. Dann ist es aber immer noch so, dass Sie nicht wirklich erklären können, worin der Sinn dieses Sprachtests in dieser Größenordnung liegt.

Es fallen über 30.000 Unterrichtsstunden von Grundschullehrerinnen aus, um diesen Sprachtest durchzuführen.

(Beifall von der SPD)

Was erreichen Sie mit diesem Sprachtest? – Sie stellen die Tagesform des Sprachvermögens von Vierjährigen fest. Das ist ein absolut ungeeignetes Verfahren, um das tastsächliche Sprachvermögen von Vierjährigen darzustellen. Deshalb ist das Geld dafür verschwendet, und der Test ist in keiner Form – schon gar nicht pädagogisch – zu rechtfertigen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Im Hinblick auf die Kindertagespflege haben Sie eben ganz vorsichtig formuliert, was eigentlich die dahinter stehende Problematik ist. In den letzten drei Haushalten haben Sie Geld für 23.000 bis 25.000 Kindertagespflegeplätze bereitgestellt, die Sie bräuchten und fördern wollen, um den U3-Bedarf zu decken. In der vorletzten Woche haben Sie aber bekannt gegeben, es seien nur Mittel für 11.000 Plätze abgerufen worden. Außerdem haben Sie angekündigt, man müsse bei der Qualifizierung wohl noch ein bisschen nachlegen.

Das, Herr Minister, deutet aber nur darauf hin, dass die Opposition mit ihrer Argumentation recht hatte, dass die Eltern vor allen Dingen erst einmal institutionelle Plätze suchen, dass Tagespflege an vielen Stellen kompensatorisch ist

(Minister Armin Laschet: Na und? Das ist doch wunderbar!)

und dass Sie deshalb mit Ihrer Absicht ins Leere laufen, soviel Geld in die Tagespflege zu stecken, das Sie viel besser zur Verstärkung und Verbesserung der Personalsituation in den Einrichtungen verwenden könnten.

Frau Kastner hat gefragt, wo denn unsere Vorschläge sind. – An Vorschlägen, das KiBiz zu verändern, hat es seitens der Oppositionsfraktionen, insbesondere unserer Fraktion, aber wohl kaum gemangelt.

(Ralf Witzel [FDP]: Aber an Geld!)

Ich will Ihnen außerdem noch etwas in Erinnerung rufen, Frau Kastner: Es waren die Oppositionsabgeordneten, die Sie und den Minister auf die Ergänzungskräfteproblematik aufmerksam gemacht haben. Sie haben das Problem negiert und so getan, als gäbe es das gar nicht.

Vor dem Hintergrund zeichnet es sich ab, dass wir am Ende des Evaluationsprozesses, den Sie einleiten wollen – Sie sagten, dass Sie das mit den Ergänzungskräften langfristig regeln wollen –, immer noch Ergänzungskräfte haben werden, die nicht die Möglichkeit einer Weiterbildung hatten. Deshalb fordern wir, nicht die Evaluation abzuwarten, sondern sofort zu beginnen.

Sie, Herr Minister, haben noch 47 Tage Zeit, die Probleme, die Sie mit diesem Gesetz erzeugt haben, jetzt entschlossen anzugehen. Sonst werden es andere machen. Darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Im weiteren Verlauf der Debatte:

Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Minister. – Die Redezeiten sind ausgeschöpft. Bevor wir jedoch zur Abstimmung kommen, gebe ich nach der Geschäftsordnung Frau Altenkamp zur Abgabe einer Erklärung das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich wollte jetzt auch nichts zu kleinen Männern und großen Taten sagen,

(Zuruf von CDU und FDP: Oh!)

sondern ich wollte mich von Frau Kollegin Kastner verabschieden.

Frau Kollegin Kastner, ich denke, wir haben uns in all den Diskussionen wirklich nichts geschenkt, ob es das Kinderbildungsgesetz oder irgendein anderes Gesetz war, aber trotz allem habe ich Sie immer geschätzt als jemand, der durchaus in der Lage ist, die Diskussionen hart, aber auch ehrlich zu führen.

Ich sage Ihnen seitens meiner Fraktion: Wir bedanken uns für die kollegiale Zusammenarbeit, für das gemeinsame Streiten – das wird man Ihnen nicht absprechen wollen, und das tun wir auch nicht –, um am Ende doch das Beste für die Kinder und Jugendlichen in unserem Land zu erreichen. Eine ganz besonders hohe Anerkennung dafür, dass Sie sich für Kinder mit Behinderungen sehr stark machen und eine sehr ehrliche Maklerin sind. Auch dafür herzlichen Dank.

Also, Frau Kollegin, alles Gute für die Zukunft!

(Lebhafter allgemeiner Beifall)

Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank für diesen versöhnlichen Abschluss einer kontroversen Debatte.