Kompetenzen der Ergänzungskräfte nutzen und erweitern

Meine Damen und Herren!

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie arbeiten 10 oder 15 Jahre lang, nachdem Sie eine Ausbildung gemacht haben, als Kinderpflegerin in Kindertageseinrichtungen. Ihre Arbeit wird gelobt und gebraucht. Trägervertreter, aber auch Ihre Kita-Leitung versichern Ihnen immer wieder, dass Ihre Arbeit wichtig und unersetzlich ist.

Dann ändert sich innerhalb von einem Jahr die Geschäftsgrundlage, auf der Sie tätig sind, insofern, als der Landesgesetzgeber ein neues Gesetz verabschiedet, das Ihre Einsatzmöglichkeiten als Ergänzungskraft, wenn Sie Kinderpflegerin sind, deutlich einschränkt.

Die Trägervertreter gehen auf Sie zu und sagen Ihnen: Du hast jetzt die Möglichkeit – und um ehrlich zu sein: es besteht auch die Notwendigkeit –, dich weiterzubilden, um als Fachkraft weiterhin im System bleiben zu können. Dafür hast du genau drei Jahre bis 2011 Zeit.

Dann marschieren Sie los, suchen sich eine Weiterbildungsmöglichkeit und stellen fest: Das sieht gar nicht gut aus, denn es ist ganz schwer, sie zu bekommen. – Außerdem verlangt man von Ihnen, dass Sie eine solche Ausbildung zweieinhalb Jahre lang berufsbegleitend machen. Wenn Sie sich das Curriculum anschauen, erleben Sie, dass die Qualifikation, die Sie durch Ihre jahrelange Tätigkeit erworben haben, dabei überhaupt keine Rolle spielt.

Wenn das in einem von Männern dominierten Arbeitsfeld stattfinden würde, meine Damen und Herren, hätten wir hier Demonstrationen vor der Haustür.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber da wir es mit einem von Frauen dominierten Berufsfeld zu tun haben, nämlich dem der Erziehung und Bildung im frühen Kindesalter, nehmen die Frauen die Situation stillschweigend hin. Nur bei einigen wenigen Veranstaltungen machen sie ihren Unmut deutlich.

(Ralf Witzel [FDP]: Das ist doch absurd! Was haben Sie denn für ein Frauenbild? Das ist kein modernes Frauenbild! – Gegenruf von Norbert Killewald [SPD]: Sie haben ja eine große Erfahrung auf dem Gebiet!)

Bis heute können Sie nicht sagen, Herr Minister, wie viele Betroffene es eigentlich gibt. Kollege Killewald hat in der letzten Ausschusssitzung, in der wir über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diskutiert haben, mehrfach darauf hingewiesen, dass es notwendig ist zu wissen, wie hoch die Zahl eigentlich ist, um den Problemdruck deutlich zu machen.

Ich habe Ihnen in der letzten Plenardebatte die Zahlen eines Trägers genannt. Das muss nicht bei allen so sein. Wir vermuten aber, dass es bei vielen so ist. Aber solange Sie nicht wirklich wissen, wie viele Betroffene es tatsächlich sind, werden Sie erpressbar, Herr Minister.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Denn wenn man die Situation nur ordentlich aufbauscht, wird sie auch gelöst.

(Minister Armin Laschet: Ihr bauscht auf! Die Debatte bauscht auf! – Gegenruf von Norbert Killewald [SPD]: Das stimmt nicht!)

Dann wird man versuchen, die Situation ganz schnell und mit der heißen Nadel zu lösen. Hätte es aber Übergangsphasen, hätte es Übergänge und Erprobungen gegeben, wäre diese Situation so nie entstanden. Denn dann hätte man zum Beispiel tatsächlich gewusst, in welcher Zahl die Einsatzorte für Ergänzungskräfte erhalten bleiben.

Ein anderer Punkt, der uns auf der Seele brennt, betrifft die Frage, wie weit man geht, wenn man erpressbar wird. Wie weit geht man unter das Fachkraftgebot, das Sie im April letzten Jahres und in Ihrem letzten Wortbeitrag als unbedingt notwendig angesehen haben?

Das kann man heute am Entschließungsantrag von FDP und CDU erkennen. In der Zwischenzeit ist dort vom Fachkraftgebot so gut wie überhaupt keine Rede mehr. Schaut man sich insbesondere den zweiten Punkt Ihres Entschließungsantrags an, so wird deutlich: Alles ist möglich, weil der Problemdruck heftig zu sein scheint. Dort heißt es:

…auf den örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe hinzuwirken, dass bei der Entscheidung über mögliche Ausnahmefälle insbesondere auf die langjährige Berufserfahrung sowie auf persönliche Gründe, aus denen eine Weiterbildungsteilnahme nicht zumutbar ist, abgestellt wird…

Das bedeutet, meine Damen und Herren – Sie werden es erleben –, dass beinahe jeder, der lange genug als Fachkraft beschäftigt ist, quasi anerkannt wird.

Das Problem ist nur, dass sie natürlich nicht wie Fachkräfte bezahlt werden. Das bedeutet: Ihr im KiBiz formuliertes Fachkraftgebot, das man durchaus richtig finden kann, das aber in der Übergangssituation vom GTK zum KiBiz bei Ergänzungskräften zu erheblichen Problemen geführt hat, unterlaufen wird. Das findet auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter statt, weil sie natürlich nicht so bezahlt, aber letztlich als Fachkräfte beschäftigt und angerechnet werden.

Deshalb – das muss ich Ihnen sagen – ist von der Diskussion, die wir uns vor einem halben Jahr von Ihnen entgegenhalten mussten, wir würden versuchen, die Standards und das Fachkräfteangebot abzusenken, überhaupt nichts mehr über.

(Beifall von der SPD – Minister Armin Laschet: Natürlich!)

Sie knicken ein vor einer Situation, die Sie völlig unterschätzt haben.

(Minister Armin Laschet: Eine Drehung um 180 Grad!)

Warum? – Weil Sie sich noch nicht einmal gegönnt haben, sich die Situation wirklich anzusehen, und weil Sie Ihr KiBiz leichtfertig einfach umsetzen wollten, ohne Erprobung und Erfahrungswerte tatsächlich anzuerkennen. Das ist der Fluch der bösen Tat. Mit dem müssen Sie jetzt leben, und der wird Ihnen noch lange nacheilen. – Herzlichen Dank.