
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!
Ich möchte doch noch mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass wir hier vornehmlich wieder in die alten Reflexe der KiBiz-Diskussion verfallen. Das ist überhaupt nicht Ziel unseres Antrags.
Es geht tatsächlich darum, deutlich zu machen, dass es sehr wohl nach dem KiBiz möglich ist, mehr Kinder mit Behinderung in die Regeleinrichtungen zu bringen, dass aber faktisch die jetzigen Erfahrungen nach den ersten Monaten zeigen, dass zu befürchten steht, dass sich das im nächsten Kindergartenjahr wieder deutlich anders zeigt. Denn nicht alle Regeleinrichtungen sind wirklich darauf vorbereitet gewesen, was es bedeutet, integrativ zu arbeiten.
Das ist ganz sicher im Zuge des laufenden Kindergartenjahres etwas, was einige dazu bringen wird zu überlegen, ob sie das tatsächlich weiterführen werden. Anspruch und Wirklichkeit dessen, was die Landesregierung da möchte und möglicherweise verfolgt, liegen an einigen Stellen sehr weit auseinander.
Natürlich ist es unbestritten, dass unter dreijährige Kinder mit Behinderungen auch in Kindertageseinrichtungen gehen können. Aber wenn man individuell auf das einzelne Kind blickt, dann stellen Sie da fest, dass gerade unter dreijährige Kinder ganz große Schwierigkeiten haben, in Regeleinrichtungen aufgenommen zu werden, bzw. die Eltern große Schwierigkeiten haben, Kinder dort anzumelden, weil es nicht so ist, wie der Kollege Lindner sagt und wie es auch in Ihrem Beitrag, Herr Minister, anklang, dass Kinder unter drei Jahren und die Kinder unter drei Jahren mit Behinderungen einen vergleichbaren Pflegebedarf haben. Das ist nicht so. Blickt man auf das einzelne Kind, dann kann das sehr unterschiedlich sein.
Vor diesem Hintergrund berichten uns – ich kann mir nicht vorstellen, dass das völlig am Ministerium vorbeigeht – und sicher auch Ihnen Eltern von unter dreijährigen Kindern mit Behinderungen, dass sie sich ein Stück von dem Ausbau der Förderung für unter Dreijährige abgehängt fühlen, weil sie erleben, dass sich Regeleinrichtungen ganz schwer tun. Da liegen Anspruch und Wirklichkeit, also die Hoffnung der Eltern von Kindern mit Behinderungen und die Realität, die sie erleben, sehr weit auseinander mit der Folge, dass Kinder unter drei Jahren mit Behinderungen, insbesondere mehrfach- und schwerstbehinderte Kinder, wenn überhaupt nur in heilpädagogischen Einrichtungen eine Chance haben. Die werden im Moment weniger. Das ist zum Teil auch durchaus gewollt.
Aber der Punkt ist: In den heilpädagogischen Einrichtungen ist, um überhaupt die Zahl der Kinder aufnehmen zu können, die Regel, dass man Kinder frühestens im Alter von zwei bis drei Jahren aufnehmen kann. Haben Sie also ein ein- bis zweijähriges Kind mit Behinderungen, mehrfach schwerstbehindert, und wollen wieder arbeiten gehen – dabei geht es nicht um eine Ganztagsbeschäftigung, sondern darum, wieder ein Stück zurück in den Alltag zu kommen und ein Stück ein normales Leben führen zu können und das Kind gleichzeitig gut betreut zu wissen –, dann sind sie nach der Elterngeldphase in einer ganz schweren Bredouille. Das muss man einfach sehen.
Ich habe mit vielen Leiterinnen und Leitern von heilpädagogischen Einrichtungen gesprochen, die durch die Bank bestätigen, dass sie sich im Augenblick wegen der hohen Zahl von Kindern und Bedarfen nur in der Lage sehen, wenn überhaupt zwei- bis dreijährige Kinder aufzunehmen.
Es geht also nicht um die Frage, ob man dazufinanziert oder ob es eine Leistung des Landschaftsverbandes ist, sondern es geht faktisch darum, wie alt das Kind ist und dass auf das individuelle Problem des Kindes geschaut wird: Welche Behinderung liegt vor, und welcher Pflegebedarf besteht? Insbesondere wenn es dann noch um medizinische Pflege geht, tun sich die Regeleinrichtungen naturgemäß schwer. Ich finde es auch richtig, dass man sich das sehr genau überlegt.
Deshalb will ich nur noch einmal betonen: Es geht nicht darum, ob das KiBiz dies leistet oder nicht, sondern es geht uns darum, wie man jetzt mit der UN-Konvention einerseits und dem KiBiz andererseits sowie den konkreten Lebenslagen von Eltern mit Kindern mit Behinderungen tatsächlich in einen Abgleich kommen kann, um den Familien konkret zu helfen.
Da sind wir – anders als offensichtlich Sie, Herr Minister, und die regierungstragenden Fraktionen – der Auffassung, dass der individuelle Förderbedarf des Kindes und damit der individuell geschlossene Förderplan der bessere Weg ist, und zwar bis zum Alter von zehn Jahren, weil der Übergang von der Regeleinrichtung oder der heilpädagogischen Einrichtung zur Schule oder Förderschule an vielen Stellen von den Eltern als ein riesiges Problem geschildert wird und sie sich dort ausgesprochen schwer tun.
Vorhin hat die Schulministerin vorgelesen, welche Wege Kinder möglicherweise zwischen Förder- und Regelschule gehen können. Deshalb glauben wir, dass das Kind mit einem frühzeitig gefassten Förderkonzept individuell besser erreicht werden kann.
Wenn Sie kritisieren, dass dies jetzt ein Stück weit neben dem System ist, dann sage ich: Systeme sind auch dazu da, sich an die Lebensrealitäten von Menschen anzupassen; nicht die Menschen müssen sich nach den Systemen richten.
Deshalb, Herr Minister, will ich noch einmal deutlich machen: Es geht uns an dieser Stelle überhaupt nicht darum, zu behaupten, das KiBiz sei Schuld daran, sondern ich glaube, dass die Unsicherheit im Land durch die Übergangssituation entstanden ist, die einige Einrichtungen vor neue Aufgaben gestellt hat, die sie gerne angenommen haben, die jetzt im Zuge der Umsetzung aber feststellen, dass einige Vorstellungen nicht so einfach umzusetzen sind und sich manches, bei dem man gedacht hat, das bekommt man schon leicht hin, in der Zwischenzeit als ein sehr schweres Problem herausgestellt.
Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir zu einer sehr sachlichen und an den Bedarfslagen und Bedürfnissen der Menschen, der Eltern und der Familien mit Kindern mit Behinderungen ausgerichteten Diskussion und zu Lösungen kommen könnten. Wenn es gemeinsame Lösungen gäbe, wäre das umso besser. Ich glaube, es wäre ein Signal für die Menschen im Land, dass ihre Probleme wahrgenommen und sie mit ihren Problemen auch ernst genommen werden. – Vielen Dank.
(Beifall von der SPD)