
Da wir den ganzen späten Nachmittag und frühen Abend damit verbracht haben, zu überlegen, ob wir die höchste Stufe der Geheimhaltung der heutigen Beratung dieses Antrags wirklich nutzen wollen, bin ich jetzt schon ein bisschen überrascht, dass die Kollegin nicht da ist. Aber das kann ja mal passieren.
Wir haben im April 2008 einen Antrag der SPD zu dem Thema Ergänzungskräfte behandelt. Damals war der Minister der Meinung, dass es bei den Ergänzungskräften eigentlich überhaupt gar keine Probleme gebe. Ich will Ihnen – auch wenn Sie jetzt wieder behaupten, ich würde Kommunalpolitik machen – ein paar Fakten nennen.
Der Kita-Zweckverband des Bistums Essen dürfte Ihnen bekannt sein, und Sie wissen sehr wohl, dass es um mehr als nur um Einrichtungen in Essen geht. Dort werden zum jetzigen Zeitpunkt 622 Ergänzungskräfte mit Qualifizierungsbedarf gemeldet. 366 davon sind Kinderpflegerinnen, 256 Ungelernte. Ich denke, das Problem ist also gravierend, weil es auch einige andere große Träger gibt, bei denen die Situation nicht bedeutend besser ist.
Wohlfahrtsverbände und kommunale Spitzenverbände haben mit dem Ministerium im Vorfeld der Umsetzung des KiBiz eine Personalvereinbarung getroffen, aber letztendlich wird an dieser Situation eines katholischen Trägers in einem Bistum – in anderen Bistümern sieht es auch nicht bedeutend besser aus, und auch bei anderen Trägern ist das ein gravierendes Problem – deutlich, dass wir feststellen müssen, dass die Personalvereinbarung den tatsächlichen Situationen in den Verbänden und auch der Personalsituation der Beschäftigten nicht wirklich gerecht wird.
Wie ist denn die reale Situation der Mitarbeiterinnen? – Beispielsweise sind beim Kita-Zweck¬ver¬band des Bistums Essen 65 % der Ergänzungskräfte zwischen 30 und 50 Jahre; 23 % der Ergänzungskräfte sind über 50 Jahre.
Warum ist das wichtig? – Zwischen 30 und 50 Jahren sind die Mitarbeiterinnen familiär sehr stark eingebunden, und das stellt in der Tat ein Problem dar, wenn man dann eine dreijährige Fort- und Weiterbildung berufsbegleitend machen soll.
Noch gravierender sieht die Situation bei den ungelernten Ergänzungskräften im Kita-Zweckverband des Bistums Essen aus: 47 % der ungelernten Ergänzungskräfte sind über 50 Jahre, 51 % zwischen 30 und 50 Jahren. Auch da kommt die familiale Bindung ins Spiel.
Im April 2008 bestritt der Minister noch, dass es eine Notwendigkeit für eine Ausnahmeregelung gibt. Ich möchte diesbezüglich aufzeigen, wie die familiale Bindung ist und wozu sie bei Mitarbeiterinnen führt, die durchaus in dem Alter sind, dass sie sich weiterbilden können oder sollten.
Ich habe eine Zuschrift einer Mitarbeiterin eines freien Trägers in Ennigerloh bekommen. Die Dame lebt in Ennigerloh und schreibt:
Mein Träger bietet für Mitarbeiter mit einem festen Vertrag die Möglichkeit zu einer berufsbegleitenden Weiterbildung zur Erzieherin. Da ich Mutter von zwei Kindern bin und ich schon Beruf und Familie unter einen Hut bringen muss, stellt sich mir derzeit die Frage, wie diese zusätzliche Belastung der berufsbegleitenden Weiterbildung zu organisieren ist, zumal mein Mann auch im Drei-Schichten-Dienst arbeitet. Die Fortbildung soll in Hamm stattfinden: zweimal wöchentlich und jeden zweiten Samstag über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren.
Dann schreibt die Mitarbeiterin weiter:
Dieses neue KiBiz ist auf den ersten Blick scheinbar familienfreundlich für Eltern und ihre Kinder in Kindertageseinrichtungen. Für die beschäftigten Kinderpflegerinnen ist es eine zusätzliche Belastung und somit alles andere als familienfreundlich.
Nun kann man vielleicht sagen: Okay, das ist die Meinung einer einzelnen Mitarbeiterin. Aber ich werde Ihnen noch eine Zuschrift einer katholischen Kirchengemeinde aus Erkrath vorlesen. Auch dort gibt es einen Hinweis:
Grundsätzlich begrüßen wir eine Anhebung des Ausbildungsniveaus für Erzieherinnen. Das ist wichtig, weil es nämlich überhaupt nicht darum geht, grundsätzlich auszuschließen, dass wir darüber reden müssen, wie die Qualifikation von Erzieherinnen verbessert werden muss. Aber der Zwang für eine durchaus überaus erfahrene Mitarbeiterin, in diesem Alter noch einmal die Schulbank zu drücken, ist allein schon aufgrund der langjährigen Praxiserfahrung überflüssig.
(Beifall von SPD und GRÜNEN)
Hierbei handelt es sich um eine 55-jährige Mitarbeiterin.
Wir können nicht glauben, dass die Landespolitik der Problematik nicht endlich dadurch begegnet, Ausnahmeregelungen für über 55-Jährige zu schaffen.
Denn was ist die Situation, insbesondere bei den ungelernten Kräften? – Die machen eine drei- oder zweijährige Ausbildung, dann noch eine dreijährige Weiterbildung, und anschließend kann sie der Träger in Rente schicken. Das, Herr Laschet, kann doch nicht richtig sein.
(Beifall von der SPD)
Weiter schreibt diese katholische Kirchengemeinde, Träger einer Kindertageseinrichtung:
Sollte es bei der Haltung der gegenwärtigen Mehrheit im Landtag bleiben und sich keine Änderung in der Sache ergeben, würden die Auswirkungen in unserer Einrichtung zu einer Kündigung führen, die Teamkonstellation durcheinanderbringen sowie negative Folgen für Kinder und Eltern mit sich bringen.
(Minister Armin Laschet: Warum eigentlich?)
Das, Herr Laschet, ist die Realität. Denn in dem Kita-Zweckverband, über den ich jetzt gesprochen habe, sind eine ganze Reihe von Kommunen – ich kann Ihnen ihre Namen vorlesen –, aber es stehen dort insgesamt nur 200 Weiterbildungsmöglichkeiten zur Verfügung.
Ich will es noch einmal betonen: Wir haben es mit 622 Ergänzungskräften mit Qualifizierungsbedarf zu tun. Das ist die Situation bei nur einem Träger. Wenn nur 200 Weiterbildungsplätze zur Verfügung stehen, dann geht ganz schön viel Zeit ins Land, bis die Frauen tatsächlich eine Weiterbildung erhalten können. Die stehen extrem unter Druck. Deshalb, Herr Laschet, denken Sie mindestens darüber nach, den Zeitpunkt, bis zu dem die Weiterbildung abgeschlossen werden kann, hinauszuschieben.
(Beifall von der SPD)