Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2009 (Nachtragshaushaltsgesetz 2009)

Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!
Da sich gerade mal zwei Seiten dieses Haushalts mit dem Konjunkturpaket befassen – trotzdem hat es die Landesregierung als dringend notwendig empfunden, das heute in einer Sondersitzung einzubringen – und der große Rest des uns vorliegenden Nachtragshaushalts – wie soll ich sagen? – allgemeine Maßnahmen sind, will ich mich mit einem Schauspiel beschäftigen, das wohl absehbar jedes Jahr aufgeführt wird und sich mit dem auseinandersetzt, was der Finanzminister „mehr Plätze fürs KiBiz“, das sogenannte Kinderbildungsgesetz, nennt, und zwar ein Schauspiel in drei Akten.

Der erste Akt ist jedes Jahr der Entwurf des Landeshaushalts. Die Landesregierung legt einen Entwurf vor, in dem die Plätze für unter Dreijährige ausgebaut werden, aber es gibt regelmäßig eine Deckelung. Das findet in diesem Jahr insbesondere dadurch statt, dass vor allen Dingen auf die 25 Stunden gesetzt wird. Alle sind ganz entsetzt und verstehen das gar nicht. Die Landesregierung will doch ausbauen und hat immer gesagt: Das soll doch bedarfsgerecht stattfinden. – Alle schauen sich fragend an, was dieser Entwurf soll. Aber dann kommt der Moment, in dem der Finanzminister zur Hochform aufläuft und mit ernstem Gesicht sagt: Mehr ist dem Land Nordrhein-Westfalen leider nicht möglich; der Kollege Laschet ist mir teuer genug.

(Lachen von Gisela Walsken [SPD])

Das ist der erste Akt.

Die Unruhe im Land führt dazu, dass sich – oh Wunder! – im zweiten Akt die beiden regierungstragenden Fraktionen auf den Plan gerufen fühlen.

Das findet meist unter Einsatz eines blonden Schönlings und einer bunten Fee statt, die an die Öffentlichkeit treten und sagen: Nein, nein, nein, alles, was beantragt worden ist, wird auch gefördert. – Auf die Frage, wie das finanziert werden soll, folgt dann meist Fehlanzeige. Es wird gesagt: Na ja, der Elternwille ist der entscheidende Moment. – Alle sind ganz verwundert und denken sich: „Wo kommt das Geld auf einmal her?“, und der Finanzminister blickt ganz ernst drein und sagt, er beugt sich den Fachpolitikern und dem Elternwillen.

Dritter Akt: Nachdem der Landeshaushalt beschlossen worden ist, beschließt das Kabinett: noch mal 10.000 Plätze obendrauf. Das ist das zweite Mal, dass wir dieses Schauspiel erleben. Und alle schauen sich ganz verwundert an, weil der Jubel gar keinen Anfang nehmen will.

Hinzu kommt, dass in diesem Jahr 2.900 Plätze mit Sperrvermerk versehen sind. Da wird dann ganz deutlich, worum es eigentlich geht: Diese Landesregierung geht hin und greift irgendwelche Zahlen. Sie plant nicht, wie sie vorgibt, sondern greift Zahlen und sagt: Das ist das, was wir im Unter-Drei¬ährigen-Bereich an notwendigen Bedarfen erkannt haben, und so bauen wir aus.

Ob das tatsächlich stattfindet, ob es vor Ort tatsächlich ankommt, kann einem keiner sagen. Manchmal blickt der Finanzminister auch ein bisschen verzweifelt, wenn er danach gefragt wird, aber es stört ihn nicht weiter, weil ja politisch jetzt angeblich alles ganz toll klappt. Nur: Transparenz ist dadurch nicht geschaffen worden. Unbürokratisch ist dieses Verfahren auch nicht.

Statt tatsächlich das zu tun, was notwendig wäre – nämlich das Tagesbetreuungsausbaugesetz im Land vernünftig umzusetzen und eben nicht von den 23 Millionen €, die dem Land Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stehen, ganze 5 Millionen tatsächlich an die Kommunen weiterzuleiten oder das KiFöG vernünftig umzusetzen –, warten die Träger noch immer auf die bearbeiteten Anträge und die Bewilligung der dafür nötigen Mittel, die sie aufgebracht, die sie für den Ausbau der Unter-Dreijährigen-Betreuung zum Teil schon vorfinanziert haben. Sie warten immer noch darauf. Es wäre doch ein Leichtes gewesen, wenn diese Landesregierung einmal hingegangen wäre und den Landesjugendämtern mehr Personal zur Verfügung gestellt hätte.

(Beifall von der SPD)

Nichts Dergleichen findet hier statt. Stattdessen wird auf Zeit gespielt, und die Landesregierung wird nicht müde zu behaupten, sie stecke schon so unsäglich viel Geld in den Bereich der Unter-Dreijährigen-Betreuung und dessen Ausbau, dass sie schon nicht mehr wisse, wie sie es überhaupt noch abwickeln solle. Wem, glauben Sie denn, können Sie dieses Schauspiel noch einmal aufführen? Es ist tatsächlich so, dass das hier wirklich ganz planvoll stattfindet. Sie versuchen nur, Ihre Trippelschritte beim Ausbau der Betreuung der unter Dreijährigen in Nordrhein-Westfalen auf diese Art und Weise zu einem unglaublichen Popanz aufzubauen.

(Beifall von der SPD)

Dieses Spiel – das kann ich Ihnen versprechen – wird nicht mehr lange gut gehen und wird auch in der Öffentlichkeit als das, was es ist, erkannt werden, nämlich als eine Blase.

(Zurufe von der CDU: Oh!)

Wie Blasen entstehen, die Sie erzeugen, zeigt sich zum Beispiel am Thema Obdachlosenhilfe.

Sie bringen es fertig, 1,2 Millionen € im Bereich Obdachlosenhilfe zu kürzen. Dann gibt es eine wirklich heftige Diskussion, insbesondere von Betroffenenverbänden und denjenigen, die sich für Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind, einsetzen. Es gibt hier eine Anhörung, dass selbst Ihren Kolleginnen und Kollegen, die im sozialpolitischen Bereich tätig sind, Hören und Sehen vergeht, weil der Schwachsinn, der da geschildert wird, kein Ende nehmen will.

(Beifall von SPD und Rüdiger Sagel [fraktionslos])
Dann gehen Sie hin und entblöden sich nicht, um das wirklich einmal zu sagen, jetzt im Nachtragshaushalt 1,3 Millionen € wieder einzusetzen, und nennen das dann Weiterentwicklung der Hilfen für Wohnungslose.

(Gisela Walsken [SPD]: Wie peinlich!)

Das ist überaus peinlich und ist der Situation der Menschen, um die es hier geht, überaus unangemessen.

Das ist beim KiBiz das gleiche Schauspiel; das ist eine Schimäre, die Sie hier aufbauen. Es ist einfach eine Unverschämtheit, wie Sie mit diesen Themen umgehen, weil das überhaupt nichts mit der Ernsthaftigkeit zu tun hat, die diese Landesregierung an den Tag legen müsste, um in dem Bereich tatsächlich tätig zu werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und Rüdiger Sagel [fraktionslos])