Zukunftsaufgabe Integration – Der 1. Integrationsbericht

Quelle: Bildarchiv des Landtags Nordrhein-Westfalen / Photo: B. Schälte

Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Angesichts dessen, dass Sie diesen Bericht heute so prominent als ersten Punkt auf die Tagesordnung gesetzt haben wollten, was insbesondere der Wunsch der Regierung war, freue ich mich ganz herzlich, dass wir in der Zwischenzeit auch den Innenminister und die Schulministerin zu diesem Thema begrüßen können, obschon die Unterrichtung durch den Fachminister, jedenfalls die meiste Zeit, ohne Beteiligung des restlichen Kabinetts stattgefunden hat. Das gibt für die Öffentlichkeit, meine ich, auch Aufschluss darüber, wie ernst dieses Thema tatsächlich genommen wird.

(Unruhe von der CDU)

Liebe Kollegen, ich freue mich, dass auch Sie in der Zwischenzeit hier sind. Der Kollege Solf, die Kollegin Asch, die Kollegin Düker, die Kollegin Tillmann und ich hatten schon die Befürchtung, dass wir hier unter uns sein würden, weil ein Teil Ihrer Kollegen ja regelmäßig fluchtartig das Plenum verlässt, wenn dieses Thema aufkommt.

Ich komme nun aber zu Ihrem 1. Integrationsbericht. Zwischenzeitlich konnte man meinen, Sie hätten die Integrationspolitik erfunden. In Ihrer mündlichen Berichterstattung haben Sie dann aber doch darauf hingewiesen, dass es schon früher Zuwanderungsberichte gegeben hat.

Das, was Sie jetzt als große Qualität herausstellen, nämlich dass die Leistung der Eingebürgerten der der in Deutschland geborenen Bürgerinnen und Bürgern deutlicher gegenübergestellt wird, ist richtig und musste einmal gesagt werden, weil in der überhitzten Diskussion an der einen oder anderen Stelle ganz sicher immer wieder untergeht, dass wir es mit erheblichen Leistungen zu tun haben, gerade was die Erwerbsquote angeht, aber auch hinsichtlich Selbstständigenquote sowie Bildung und Schulbildung bei Migrantinnen und Migranten und Eingebürgerten.

Aber, Herr Minister, es gibt da auch eine Gefahr. Denn Menschen, die sich einbürgern lassen, die die Einbürgerung anstreben, machen das ja auch, um erkennbar Teil dieser Gesellschaft zu werden. Und wenn sie immer gesondert ausgewiesen werden, dann ergibt sich schon das Problem, dass sie weiter nur über die Differenz wahrgenommen werden.

Die Kollegin Tillmann wird zum Thema Einbürgerung noch etwas mehr sagen. Von mir dazu noch so viel: Ich will Ihnen die Folge der im WDR-Fernsehen laufenden Doku-Soap „Die Özdags“ ans Herz legen, in der der älteste Sohn der Özdags darüber philosophiert, warum er sich nicht einbürgern lässt, und sagt: Am Ende bin ich hier doch immer Türke, warum soll ich mich dann einbürgern lassen? – Das ist das Problem. Die Menschen merken, dass sie immer über die Differenz wahrgenommen werden, obwohl sie durchaus bereit sind, Teil dieser Gesellschaft zu werden.

Sie reißen in Ihrem Bericht viele Themen an – gar keine Frage – und gehen den Aktionsplan der Landesregierung Schritt für Schritt entlang. Aber bei vielen Themen, die Sie anreißen, gibt es faktisch keine Antwort, keine Analyse. Warum ist das so? Warum gingen die Einbürgerungszahlen von 2006 auf 2007 zurück? Ich kann von dem führenden Integrationsland in Nordrhein-Westfalen – so schildern Sie das ja selber – und von dem Minister, der in der „ZEIT“ charakterisiert wird als der modernste, den die CDU momentan in der Schublade hat, doch wohl erwarten, dass es an der einen oder anderen Stelle auch mal eine Analyse gibt. Das ist aber der Unterschied zum Beispiel zu den Zuwanderungsberichten der Vergangenheit: Da gab es solche Hinweise. Jetzt gibt es keine Analyse. Genauso Fehlanzeige bei der Frage, was die Landesregierung mit den Erkenntnissen zum Thema Bildung und Ausbildung von Migranten, gerade von Jugendlichen, macht. Sie liefern – das stellt man fest, wenn man genau hinsieht – nur eine Aneinanderreihung von Stellen, an denen Sie EU-Mittel oder Mittel der Bundesagentur durchleiten. Eine eigene Initiative mit Landesmitteln, die an der Ausbildungssituation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund erkennbar etwas verändern will: Fehlanzeige, Herr Minister!

Dann komme ich zu Ihren beiden Flagschiffen: das Thema Sprachförderung und das Thema Familienzentrum.

Sie sagen, 91.500 Kinder haben im Kindergartenjahr 2007/2008 Sprachförderung erhalten. Im Kindergartenjahr, das jetzt läuft, sollen es 67.000 Kinder sein. Das Problem ist bloß, dass das Annahmen sind, Circazahlen. Sie können an keiner einzigen Stelle belegen, dass es tatsächlich so ist. Es gibt keine validen Daten darüber, wie viele Kinder Sprachförderung erhalten haben.

(Minister Armin Laschet: Natürlich gibt es die!)

Das, Herr Minister, hat ganz einfach etwas damit zu tun, dass Sie Sprachstandserhebung und tatsächlich stattgefundene Sprachförderung überhaupt nicht miteinander in Beziehung setzen können. Das ist der Fehler in Ihrem System der Sprachförderung.

Dann sagen Sie: Sprachförderung findet am besten in der integrierten Gruppenarbeit statt, und deshalb bekommen diejenigen Kinder, die nicht in einer Kindertageseinrichtung sind, von den Jugendämtern anempfohlen, doch in eine Kindertageseinrichtung zu gehen. Nur: Sprachförderung in der Gruppe, integriert in die tägliche Arbeit einer Kindertageseinrichtung ist für 6,25 € pro Woche und Kind schwer durchzuhalten. Das genau ist der Punkt.

Eines ärgert mich dabei besonders: Sie haben in Nordrhein-Westfalen einen Feldversuch mit Vierjährigen zur Sprachstandserhebung durchgeführt, Ende des Jahres wird es einen Sprachförderkongress geben – vielleicht hätten Sie den Sprachförderkongress mit 3.000 Teilnehmern vorher machen sollen, bevor Sie die Vierjährigen durch dieses Testverfahren jagen!

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Denn dieses Testverfahren haben Sie, wie Sie in Ihrem Bericht einräumen mussten, nachbessern müssen, was bedeutet: Sie wissen sehr wohl, dass es große Schwierigkeiten in diesem Verfahren gibt, aber Sie ziehen es einfach weiter durch.

(Minister Armin Laschet: Ja!)

Die Frage der Bürgerinnen und Bürger nach der ganzen Geschichte ist doch: Können die Kinder denn jetzt besser Deutsch? Diese Frage beantwortet dieser Bericht nicht. Das ist aber die Erwartung, die ich an einen Integrationsbericht stelle.

Jetzt kommt die Frage Familienzentren – das ist ja Ihre Allzweckwaffe.

(Minister Armin Laschet: Das ist wahr!)

Es ist in dem Bericht an keiner einzigen Stelle nachweisbar, dass Kinder mit Migrationshintergrund – bis auf die Tatsache, dass diese Kinder Kindertageseinrichtungen besuchen, die sich Familienzentren nennen –, tatsächlich eine Integrationsleistung dieser Familienzentren erfahren, zumal Sie gerade selber eingeräumt haben: Die Familienzentren machen überhaupt nichts Neues. – Kindertageseinrichtungen, Familienzentren machen die Arbeit, die Kindertageseinrichtungen generell verrichten müssen, zum Beispiel auch Elternarbeit. Es geht einfach nur darum, irgendwelche Blasen aufzubauen, die Sie für irgendwie geeignet halten.

Das also sind Ihre Flaggschiffe. In Wahrheit sind das Havaristen, die auf dem Trockendeck liegen, und kein vernünftiger Reeder würde die ins Wasser lassen. Aber Sie, Sie tun das.

(Beifall von der SPD)

Kommen wir zum Schulversuch in Köln und Duisburg! Da sind Sie mittendrin steckengeblieben, weil sich die islamischen Verbände nicht so organisieren wollten, wie Sie das wollten. Es gibt aber in dem Bericht keinen einzigen Hinweis, was jetzt weiter passiert. Es gibt keinen Hinweis zur islamischen Unterweisung, und es gibt noch nicht mal einen Hinweis zum alevitischen Religionsunterricht. Mein Verdacht ist, das ist so, weil Sie sich damit nicht als der Erfinder der Integrationspolitik darstellen können. Denn beides geht auf Initiativen der Vorgängerregierung zurück. In der Tat hat es Integrationspolitik schon gegeben, bevor Herr Laschet dieses Amt übernommen hat.

(Beifall von der SPD)

Ein letzter Punkt: Das ist fast Heuchelei, wenn Sie Tayfun Keltek und die LAGA für das, was sie tun, loben. Ja, ich lobe die auch, weil die ziemlich tapfer sind. Sie, Herr Laschet, haben der LAGA versprochen, sich dafür einzusetzen, dass die Integrationsräte in der Gemeindeordnung, die gerade geändert worden ist, verbindlich festgeschrieben werden. Ein Blick in die Gemeindeordnung hilft: Da ist nichts passiert.

(Minister Armin Laschet: Abwarten!)

Herr Laschet, Sie sind da wortbrüchig geworden.

(Beifall von der SPD)

Aber noch schlimmer ist, Herr Laschet, wie Sie mit den real existierenden Beiräten umgehen. Denn durch die Vorziehung des Kommunalwahltermins sind die zusätzlich entwertet worden. Was glauben Sie, wer an diesen Wahlen noch teilnimmt? Das ist die Wahrheit über den Integrationsminister Laschet. Sie verweigern den Migrantinnen und Migranten das kommunale Wahlrecht, und die einzige Möglichkeit der Partizipation schränken Sie noch ein. Für so etwas hebt der Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen die Hand.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das ist die Wahrheit. Deshalb sage ich Ihnen eines, Herr Minister: An Ihrem Tun werdet ihr sie erkennen. Das Tun dieser Landesregierung in der Integrationspolitik kommt an den seltensten Stellen über Symbolpolitik hinaus. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)