Anmeldezahlen für das neue Kindergartenjahr

Quelle: Bildarchiv des Landtags Nordrhein-Westfalen / Photo: B. Schälte

Das hier heute Morgen ist wirklich lustig.

Schönen guten Morgen, Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!

Das nimmt hier mittlerweile doch etwas absurde Züge an. Wir stellen fest: Es ist nicht eine einzige Grundannahme des Gesetzgebers für dieses Gesetz eingetreten. So etwas nennen Sie „erfolgreiche und seriöse Regierungspolitik“. Das ist wirklich bemerkenswert.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das verkaufen Sie dann auch noch als Erfolg. So wird aus Armin Laschet Armin Langstrumpf, der sich die Welt malt, wie sie ihm gefällt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die Opposition hat Ihnen von Anfang an gesagt, dass Ihre Grundannahmen falsch sind. Die Kontingentierung der unter Dreijährigen war falsch, und die Verteilung der Öffnungszeiten auf die Gruppenformen war genauso falsch. Deshalb müssen Sie jetzt nachlegen.

Für diese Glanzleistung, die Sie in der Planwirtschaft hingelegt haben, haben Sie die Firma Kienbaum geholt. Diese Grundannahmen, die alle falsch waren, haben 180.000 € gekostet. Das muss man doch hier auch einmal sagen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir haben Sie frühzeitig davor gewarnt, dass angesichts der Einführung des Elterngeldes nicht mehr davon auszugehen ist, dass nur 20 % der unter Dreijährigen eine Ganztagsbetreuung brauchen werden. Dazu haben Sie immer bedächtig den Kopf hin- und herbewegt. Aber die Tabelle ist nach wie vor als Anlage zum Gesetz enthalten. Das ist Ihr Fehler. Das ist schlechtes Regierungshandeln.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie jonglieren wieder einmal mit falschen Zahlen. Die magische Zahl ist heute schon gar nicht mehr genannt worden. Das hat nämlich etwas damit zu tun, dass Sie mittlerweile sogar in Ihren eigenen Haushaltsplänen nachlesen können, dass die von Ihnen bei Regierungsübernahme angeführten Zahlen für die Unter-Dreijährigen-Versorgung falsch sind. Tatsächlich waren es 15.722 Plätze, die durch das Land gefördert wurden. Das ist Ihrem Haushaltsplan und Ihren Veröffentlichungen zu entnehmen.

Das war ohne Zweifel zu wenig. Aber die Behauptungen, die hier aufgestellt werden, sind eben falsch. Es stellt sich die Frage: Wie seriös agiert eigentlich eine Regierung gegenüber den Familien in Nordrhein-Westfalen? Bei Ihnen ist an der Stelle nichts zu erkennen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ihre Strategie ist nach unserer Auffassung sehr durchsichtig: Sie rechnen die Zahlen der Vorgängerregierung klein, damit Ihre Leistung am Ende der Legislaturperiode groß genug erscheint.

Wer so vorgeht, dem würde ich empfehlen, Carlo Collodi zu lesen, der die Geschichte von Pinocchio geschrieben hat. Wir haben Ihnen auch gesagt, dass die Eltern vor allen Dingen Plätze in Einrichtungen suchen werden. Das hat sich voll bestätigt. Wir haben Ihnen gesagt, dass der Bedarf an Ganztagsplätzen steigen wird und Ihre Grundannahme, dass es nur 25 % der Eltern sein werden, die 45 Stunden buchen, grober Unfug sei.

Jetzt stellt sich heraus, dass es deutlich mehr Eltern sind, in einigen Bereichen sogar mehr als 50 %. Der Landkreistag sagt: 70 % der Eltern wollen 35 Stunden. – Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Denn pädagogisch sinnvoll sind 25 Stunden ohnehin nicht. Aber, Herr Minister, ein Erfolg der Landesregierung ist das nicht. Denn mit Kinderbildung hat dieses Gesetz rein gar nichts zu tun.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Sie haben mit Ihrem Gesetz versucht, mehr Kinder bei gleichbleibend geringer finanzieller Ausstattung zu betreuen. Damit sind Sie kläglich gescheitert, weil die Jugendämter und die Eltern Ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Jetzt müssen Sie nachlegen. Weil das KiBiz ansonsten zum Debakel für die gesamte Landesregierung würde, springt Ihnen der Finanzminister diesmal mit 50 Millionen € bei.

(Minister Armin Laschet: Versprochen!)

Aber dabei sollte es doch keine Nachtragshaushalte mehr für die Kindergartenfinanzierung geben. Das war doch ein Grund, warum das KiBiz her musste.

(Minister Armin Laschet: Das stimmt doch gar nicht!)

– Herr Finanzminister und Herr Laschet! Der Weg zur Hölle ist eben mit guten Vorsätzen gepflastert.

(Heiterkeit von SPD und GRÜNEN)

Moderne, bedarfsorientierte Kindergartenpolitik ist das nicht, sondern wieder einmal ein Beweis für Ihre Ahnungslosigkeit, was Kinder und Familien in diesem Land brauchen und wollen.

(Christian Lindner [FDP]: Das ist kleinkariert!)

Die Belastung für die Kommunen steigt weiter. In absehbarer Zeit werden sie ihren finanziellen Mehraufwand an die Eltern weitergeben müssen, indem die Elternbeiträge steigen.

Der Gipfel der Ignoranz, Herr Minister, ist aber Ihre erneute Ankündigung, dass in Nordrhein-Westfalen 7.400 Erzieherinnen und Erzieher mehr benötigt und eingestellt würden. Herr Minister, haben Sie sich auch nur ein einziges Mal überlegt, wie eine solche Botschaft bei Frauen ankommt, die im Augenblick ihre Kündigungen erhalten oder deren befristeter Arbeitsvertrag wegen KiBiz nicht verlängert wird?

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Das Allerschlimmste ist, dass diese Berechnung auch wieder von der Firma Kienbaum gemacht worden ist. Diese Firma führen Sie wiederum ein, als wenn diese Firma in der Vergangenheit in irgendeiner Form Expertise in Kindergartenfragen bewiesen hätte! Sie nicht und die Firma Kienbaum genauso wenig!

(Beifall von SPD und GRÜNEN – Minister Armin Laschet: Wo geht denn das ganze Geld hin? Nicht in Spielzeug, sondern in Menschen!)

Sie, Herr Minister, verkaufen diese Geschichten als Ihren Erfolg. Dabei findet dieser auf dem Rücken der Kinder und der Erzieherinnen statt. Darüber gehen Sie einfach lässig hinweg. So funktioniert das nicht. Sie werden dafür die Quittung bekommen. Bis heute sind Sie nämlich dem Landtag schuldig geblieben, wie die zusätzlichen Erzieherinnen vernünftig ausgebildet werden sollen.

(Minister Armin Laschet: Ich denke, es gibt keine zusätzlichen!)

Das ist zum Beispiel solch ein Punkt. Über das Problem der Ergänzungskräfte, das wir zurzeit haben, reden wir ja heute Nachmittag noch.

(Helmut Stahl [CDU]: Früher wurden die entlassen!)

Auf KiBiz reimt sich Mumpitz. Das ist und bleibt so, Herr Stahl.

(Beifall von der SPD)

Es wird immer deutlicher, dass es mit Bildung nichts zu tun hat und von einer bedarfgerechten Orientierung mehr als weit entfernt ist.

Ich ziehe Bilanz – der Kollege Lindner hat ja auch gesagt, wir bilanzieren einmal –: Das KiBiz bringt weder mehr Transparenz in der Finanzierung noch weniger Bürokratie. Von einer Qualität in der frühkindlichen Bildung kann erst recht keine Rede sein. Sie legen jetzt 50 Millionen € nach. Das wird sicher nicht reichen, weil aus Murks immer nur weiterer Murks entsteht.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

[…]

Britta Altenkamp (SPD):

Weil wir gerade beim KiBiz, dem Gesetzgebungsverfahren und den haushalterischen Darstellungen schon einiges erlebt haben: Liebe Kolleginnen und Kollegen, es reicht natürlich nicht, dass wir nach der Aktuellen Stunde lediglich mit der Ankündigung des Ministers, dass es 50 Millionen mehr gibt, und dem Dank von Frau Milz an den Finanzminister, dass er dem zustimmt, auseinandergehen. Wir brauchen dann schon eine Vorlage für den Nachtragshaushalt.

Technisch sollten Sie das wenigstens auf dem Schirm haben. Wir haben gerade, was diese Dinge betrifft, beim KiBiz schon einiges von Ihnen erlebt; daran möchte ich nur erinnern. Eine Ergänzungsvorlage müsste es dann schon sein. Sonst können wir uns lange streiten, aber Ihre Ankündigung würde letztlich keinen Niederschlag finden. – Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt, Herr Minister: Bitte beschäftigen Sie sich einmal mit der Situation von kleinen Trägern und von Elterninitiativen! Da spielt die Musik.

(Beifall von der SPD)

Da sind Erzieherinnen, deren Verträge vor gut einem Jahr befristet wurden, weil man nicht wusste, wie es mit dem KiBiz wird. Da sind Erzieherinnen, die möglicherweise ihre befristeten Verträge nicht verlängert bekommen. Da sind Erzieherinnen, die jetzt schon ihre Kündigung bekommen haben. Vor dem Hintergrund, Herr Minister, dürfen Sie nicht so leichtfertig damit umgehen. Denn das sind Mitarbeiterinnen, die dafür Sorge getragen haben, dass hohe und höchste Qualität in der frühkindlichen Bildung und Betreuung sichergestellt werden konnte.

(Beifall von der SPD)

Die werden heute dafür bestraft, dass sie sich eingesetzt haben. Das ist mein Hinweis.

Drittens zu den 25 Stunden: Zwei Änderungen haben Sie im Gesetzgebungsverfahren glücklicherweise noch vorgenommen. Eine davon ist: Sie haben Einrichtungsbudgets ermöglicht. Die haben Ihnen die Träger abgerungen. Deshalb war es ab einem bestimmten Zeitpunkt absehbar – ich finde es auch richtig, dass Sie sich eines Besseren haben belehren lassen –, dass es eine große Zahl von Trägern geben wird, die zunächst einmal – losgelöst vom Elternwillen – versuchen werden, in der Verhandlung mit dem örtlichen Jugendhilfeträger möglichst eine Ganztagseinrichtung – 45 Stunden und mehr – zu verwirklichen. Das ist die Situation, vor der wir heute stehen.

Viele Kommunen haben keine wirkliche Vorstellung davon, ob das, was sie beim Ministerium beantragt haben, auch realisiert werden kann.

Im Übrigen: Früher wurde das GTK als zu bürokratisch kritisiert. Sie haben bei dem, was im Augenblick läuft, von einem unbürokratischen Verfahren gesprochen. Das, was Sie gerade dargestellt haben, hörte sich allerdings auch sehr „unbürokratisch“ an. Die Bürgerinnen und Bürger werden den Verfahrensablauf sicher alle sofort verstanden haben. Aber egal.

Der Stand ist, dass viele Kommunen ihre Träger aufgefordert haben, noch keine Betreuungsverträge mit den Eltern zu schließen. Warum? Weil man noch nicht weiß, ob das, was sich die Eltern vorstellen, mit dem, was im Sozialraum die Kita anbietet, tatsächlich kompatibel ist.

Im Augenblick sind wir in der Situation, dass die Träger und die örtlichen Jugendhilfeträger versucht haben, die Infrastruktur zu halten. Sie ist am besten zu halten, wenn man möglichst viele Stundenkontingente – 35, 45 Stunden – auf die Einrichtungen verteilt. So ist die Situation. Aufgrund des Einrichtungskorridors ist das auch möglich.

Sie lassen sich jetzt hier bejubeln und verkünden, Sie hätten schon immer gesagt, dass mit den 25 Stunden werde sich schon so entwickeln. – Warten wir ab! Die Situation ist noch nicht klar:

Gleich diskutieren wir noch über Elternbeiträge. Der Elternbeitragsdefizitdeckungsausgleich ist weggefallen. Dieser Wegfall löst das aus, was gerade Kollege Sagel erwähnt hat und was wir nachher noch besprechen werden.

Es gibt eine erhebliche Differenz. Kommunen, die sich im Haushaltssicherungskonzept befinden und von Ihrer Kommunalaufsicht aufgefordert werden, sich eben nicht flexibel zu verhalten, müssen die erhöhten Kinderbetreuungskosten über die Elternbeiträge an die Eltern weitergeben. Ihr Gesetz führt zu dieser Situation.

Damit bringt das sogenannte Kinderbildungsgesetz nicht mehr Bildungs- und Chancengerechtigkeit für Kinder im frühkindlichen Alter, sondern verschärft die Unterschiede. Das ist zutiefst ungerecht, Herr Minister, weil sich die Kinder die Stadt, in der sie geboren werden, doch nicht aussuchen können.

(Beifall von SPD und Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Seien Sie bitte vorsichtig mit frühen Jubelarien nach dem Motto, alles wäre ein voller Erfolg. Schauen Sie sich die Lage doch einfach ganz in Ruhe an. Seien Sie still, demütig und froh darüber, dass die örtlichen Jugendhilfeträger Schlimmeres verhütet haben. Das KiBiz funktioniert doch nur wegen der Kommunen und nicht wegen des Landes.

(Minister Armin Laschet: Wegen beider!)

Es funktioniert zwar trotz aller Befürchtungen, aber nicht deshalb, weil es ein gutes Gesetz wäre, Herr Minister.

(Minister Armin Laschet: Natürlich!)

Die Menschen vor Ort bemühen sich, soziale Härten, die in Ihrem Gesetz angelegt sind, im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums zu verhindern. Dafür sollten Sie dankbar sein und nicht auch noch so tun, als wenn Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten.

(Beifall von der SPD)