
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren!
Was Muslime denken, ist Gegenstand der Gallup-Studie. Ziel war, die Einstellungen der Muslime in der Welt gegenüber den westlichen, aber vor allen Dingen den amerikanischen Werten herauszufinden.
Das Ergebnis kann wirklich niemanden überraschen, der sich mit Integrationspolitik beschäftigt. Dennoch ist für die weniger fachlich orientierten Kreise einiges tatsächlich eine Neuigkeit.
Es wurden 50.000 Muslime in 35 Ländern in Direktinterviews befragt – in islamischen Ländern, aber auch in den USA, England, Deutschland, Frankreich, Spanien und Österreich. Allein in Deutschland sind 1.500 Menschen in Direktinterviews befragt worden. Deshalb kann man sehr wohl von einer repräsentativen Studie sprechen.
Herr Lindner und Frau Asch, wenn Sie dann über die Werthaltigkeit dieser Studie diskutieren, muss ich sagen: 1.500 Menschen sind repräsentativ in Direktinterviews befragt worden. An der einen oder anderen Stelle haben sie im Prinzip vielleicht das gesagt, was sie glaubten, dass es der Gegenüber von ihnen erwartet. Das ist aber grundsätzlich bei jeder Meinungsumfrage so. Wenn wir das generell infrage stellen, sollten wir uns als politische Parteien einmal überlegen, ob wir wirklich Kampagnen durchführen, bei denen man Plakate sieht, 5 % rauf oder runter und andere Dinge feststellt. Man darf solche Umfragen nicht immer nur dann nutzen, wenn sie einem gefallen, und dann, wenn sie einem nicht richtig gefallen, die Frage aufwerfen, ob das alles überhaupt werthaltig sei.
(Zuruf von Christian Lindner [FDP])
1.500 Menschen in Deutschland sind in Direktinterviews von Gallup befragt worden. Diese Zahl kann man durchaus repräsentativ nennen.
Die überwiegende Mehrheit der Muslime schätzt die westlichen Demokratien gerade wegen ihrer freiheitlichen Gesellschaftsordnung. Der überwiegende Teil schätzt gerade die Religionsfreiheit der westlichen Demokratien.
All dies überrascht nicht – in Deutschland schon gar nicht; denn bereits 2004 hat der damalige Bundesinnenminister Otto Schily eine Befragung der Muslime in Deutschland in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse im Herbst letzten Jahres veröffentlicht worden sind. Sie entsprechen in etwa den Ergebnissen der Gallup-Studie.
In der Gallup-Studie werden etwa 7 % der Befragten als radikal eingestuft; in der Studie des Bundesinnenministers waren es 6 %. Ergänzend muss man darauf hinweisen, dass „radikal“ nicht nur religiös radikal bedeutet, sondern auch religiös-politisch radikal. Bei unserer Wahrnehmung von Muslimen liegt das allerdings vielfach ganz dicht beieinander.
Beide Studien zeigen aber, dass die Integration von Menschen muslimischen Glaubens und die Akzeptanz der Muslime durch die Mehrheitsgesellschaft erheblich miteinander korrelieren. Das ist unseres Erachtens der Kern, und hierin liegt auch der Handlungsauftrag, der sich aus der Gallup-Studie und aus der Studie des Bundesinnenministers ergibt.
Vier von fünf Deutschen halten den Islam für fanatisch. Laut Allensbach meinen 60 % der Deutschen, dass Islam und Demokratie sich nicht vertragen. Wir müssen dem Islam und seinen Werten Respekt entgegenbringen. In der Gallup-Studie machen die in den westlichen Staaten lebenden Muslime überaus deutlich: Ihr Glaube und damit sie selber werden nicht akzeptiert. Und sie fühlen sich nicht akzeptiert.
Wir müssen also folgende Dinge in Bezug auf den Umgang mit den Muslimen in Nordrhein-Westfalen für uns politisch festhalten.
Erstens. Muslime dürfen nicht länger bei jeder sich bietenden Gelegenheit von Politik und anderen verdächtigt werden. Das muss klar sein. So etwas geht auch immer sehr schnell. Lesen Sie heute zum Beispiel einmal den Kommentar von Herrn Stenglein in der „NRZ“. Das befördert Radikalisierungstendenzen und schürt Ängste bei der Mehrheitsbevölkerung.
Zweitens. Muslime müssen mehr Akzeptanz und Respekt erfahren – aber eben auch ihr Glaube. Das bedeutet, dass man zum Beispiel vielleicht auch einmal die Reaktionen auf die Handreichung des Integrationsbeauftragten hier in Nordrhein-Westfalen überdenken sollte. Denn man muss nicht immer gleich Parallelgesellschaften herbeireden.
Es sind Vorschläge gemacht worden, die sich durchaus in Schulgesetzen und in Verordnungen wiederfinden lassen. Deshalb kann ich zum Beispiel, Herr Kruse, wirklich nicht verstehen, dass Sie deshalb schon wieder gleich den Untergang des Abendlandes herbeireden.
(Beifall von der SPD)
Drittens. Politische und religiöse Radikalisierung hat ihre Ursache in den Gefühlen, an der deutschen Gesellschaft nicht teilhaben zu können. Gesellschaftliche Teilhabe durch Bildung, Arbeit und Ausbildung ist der beste Schutz vor islamistischen und extremen Tendenzen bei den Muslimen.
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
Viertens. Der Staat muss aber dennoch entschieden gegen Extremismus und Fundamentalismus vorgehen – gegen muslimischen, gegen religiös motivierten jedweder Art, aber eben auch gegen politischen. Das ist seine Aufgabe, für die wir genug rechtliche Mittel haben.
Fünftens. Gleichzeitig muss die Mehrheitsgesellschaft, muss Politik zum Dialog bereit sein und immer auch bereit bleiben.
Ich komme zu dem Punkt, wer für die Muslime spricht. Ein Problem der Islamkonferenz ist es, dass wir auch durch die Studie des Bundesinnenministers wissen, dass nur rund 23 % der Muslime in Deutschland in den Verbänden organisiert sind, die bei der Islamkonferenz am Tisch sitzen. Deshalb haben wir es mit einer großen Gruppe von Menschen zu tun, die sich überhaupt nicht organisiert und dort nicht wiederfindet.
Das macht deutlich, dass die anderen, die bei der Islamkonferenz am Tisch sitzen, zum Teil vor allem für sich selber und eben auch nicht für die Muslime sprechen; das muss man sehen. Die Schwierigkeit in diesem Dialog liegt oft darin begründet, dass gerade die Einzelpersonen bisweilen als Kronzeugen benutzt werden, um die Vorurteile der deutschen Mehrheitsgesellschaft an einigen Stellen zu manifestieren.
(Beifall von der SPD)
Noch ein letzter Punkt zum Thema Religionsunterricht. Ich kann nur davor warnen, beglückt von diesen Ergebnissen darauf zu hoffen, dass wir in Nordrhein-Westfalen und in den anderen Bundesländern schnell islamischen Religionsunterricht bekommen. Ich befürchte, bis dahin ist es noch ein langer Weg. Denn es war auch ein langer Weg, alevitischen Religionsunterricht zu bekommen. Wir sind weit davon entfernt, den Religionsunterricht für die Aleviten flächendeckend in Nordrhein-Westfalen einzurichten. Das wird auch noch eine Zeit dauern. Deshalb ist es gerade bei dem anderen Themenfeld noch schwieriger.
Daher bitte ich dieses Haus darum, die islamische Unterweisung nicht zu diskreditieren und auch nicht herunterzureden,
(Beifall von SPD und GRÜNEN)
weil wir die islamische Unterweisung möglicherweise noch länger brauchen, als es manchen lieb ist.
Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlichen Glaubens in Deutschland ist insbesondere für die Muslime nicht immer einfach. Das müssen wir erkennen; das zeigt uns die Gallup-Studie. Wir haben es in der Hand, es gemeinsam mit ihnen zu verbessern. Ich denke, in diesem Haus haben wir gute Schritte in die richtige Richtung getan. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von der SPD)