Die Pflegereform muss vor Ort eine echte Verbesserung bringen und darf nicht einfach die existierende Infrastruktur durch neue Konzepte ersetzen. Dieses Fazit zog der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion, Reinhard Paß, nach einer intensiven Diskussion über die Zukunft der Pflegeversicherung. In den Räumen des Pflegeheims „Zum Heiligen Geist“ hatte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Carola Reimann, über die Pläne der Großen Koalition zur Reform der Pflegeversicherung gesprochen. Auf Einladung der beiden SPD-Bundestagsabgeordneten Rolf Hempelmann und Petra Hinz waren rund 100 Fachkräfte aus dem Pflegesektor und Interessierte in die Einrichtung gekommen, um mit Politikern und Fachleuten aus Stadtverwaltung und Pflegekassen über die für Juli 2008 angekündigte Pflegereform zu diskutieren.
Rolf Hempelmann erinnerte in seinem Eingangsstatement daran, dass die 80-Jährigen und Älteren schon bald den am schnellsten wachsenden Bevölkerungsteil in Deutschland ausmachen werden. Im Jahr 2050 wären es bereits geschätzte zehn Millionen Menschen. „Mit der steigenden Lebenserwartung wächst die Zahl derjenigen, die der Pflege bedürfen. Wir müssen davon ausgehen, dass der Versorgungs- und der Beratungsbedarf in den kommenden Jahrzehnten enorm wachsen“, mahnte er. Deshalb sei eine Anpassung der 1995 eingeführten Pflegeversicherung dringend notwendig.
Gesundheitsexpertin Carola Reimann betonte, dass die SPD-Bundestagsfraktion dabei vor allem auf die Stärkung der ambulanten Pflegestrukturen setze. Pflegebedürftige sollten so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung betreut werden können. Wohnortnahe Pflegestützpunkte sollen den Betroffen künftig dabei helfen, das zu organisieren. Somit stünden Pflegebegleiter für die individuelle Ermittlung des gesundheitlichen, pflegerischen und sozialen Hilfebedarfs zur Verfügung. Sie könnten die Hilfs- und Unterstützungsangebote passgenau zusammenstellen. Gleichzeitig soll die stationäre Pflege durch einheitliche und transparente Qualitätsstandards verbessert werden.
Für die ambulante Betreuung der Pflegebedürftigen sah die Essener Landtagsabgeordnete Britta Altenkamp das Potential der bereits existierenden Pflegeinfrastruktur: „Das reformierte Gesetz muss unbedingt den Spielraum dafür lassen, dass die bereits existierenden Beratungsmöglichkeiten gestärkt und nicht zerstört werden.“
Ein Punkt, der bei der Expertin der SPD-Bundestagsfraktion auf offene Ohren stieß: „Wir wissen, dass viele Städte und Gemeinden bereits gute Konzepte erarbeitet haben, diese gilt es, im Sinne der Menschen, die Hilfe benötigen, weiterzuentwickeln“, so Reimann.
Petra Hinz betonte zum Schluss die große Übereinstimmung bei den Diskussionsteilnehmern: "Wir sind uns darin einig, dass die Pflegereform auf den bereits vorhandenen Strukturen aufbauen muss. Essen spielt hier eine herausragende Rolle, denn es gibt in der Stadt bereits eine große Vernetzung. Doch auch die Pflegereform entbindet die Bürgerinnen und Bürger nicht von einer Eigenverantwortlichkeit, die frühzeitig wahrgenommen werden sollte. Diesem stimmten auch die Fachleute zu, die dem grundlegenden Konzept der Pflegereform kaum Änderungen hinzuzufügen hatten." Wünschenswert sei – da waren sich alle Essener Politiker einig – dass die 2001 geschlossene Pflegeberatungsstelle der Stadt reaktiviert werde.