
Minister Laschet hatte auch schon mal mehr Beifall. Das versucht man nun durch die Länge zu kompensieren. Aber lassen wir das! Auch das ist ein durchsichtiges Manöver.
Es ist heute sicherlich kein guter Tag für die Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen. Oder vielleicht doch? Denn dieses Gesetz am heutigen Tag markiert ganz sicher den Anfang vom Ende der CDU/FDP-Regierung hier in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von SPD und GRÜNEN)
An keinem Gesetzesvorhaben wird die Janusköpfigkeit dieser Regierung so deutlich wie am KiBiz. Und schlimm für Sie: Die Menschen im Land, die Eltern, die Familien, haben lange erkannt, wie bei Ihnen die behauptete und die reale Politik auseinanderfallen.
(Beifall von der SPD)
Sie nennen Ihr Gesetz Kinderbildungsgesetz. Sie sagen, jetzt kommt Bildung in die Kitas. Tatsächlich aber haben wir es mit einem zwergenhaften Anspruch von Bildung zu tun. Denn Sie sind noch nicht einmal in der Lage, in Ihrem Gesetz frühkindliche Bildung zu definieren. Sie tun so, als gäbe es die Bildungsvereinbarung mit den Trägern von 2003 überhaupt nicht, denn Sie sind nicht bereit – das hätte nichts gekostet –, sie verbindlich ins Gesetz aufzunehmen.
(Beifall von SPD und GRÜNEN)
Frühkindliche Bildung, Herr Minister – das sage ich Ihnen als Fachminister –, ist eben mehr als Sprachförderung oder die Vorbereitung auf die Schule. Sie aber verengen mit dem Auftrag, den Sie an die Kitas stellen, alles genau darauf. Es gibt also mit Ihrem Gesetz nicht mehr, sondern weniger Bildung.
(Beifall von SPD und GRÜNEN)
Weil das viele Eltern und viele Menschen, die mit Kindertageseinrichtungen zu tun haben, begriffen haben, protestieren sie ganz heftig gegen dieses Gesetz.
Sie sagen, Sie verbessern das Betreuungsangebot für die unter Dreijährigen. Gerade eben haben wir das wieder gehört. Tatsächlich aber schaffen Sie den Unter-Dreijährigen-Ausbau über den Abbau von Qualitätsstandards. Das ist wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Sie sagen: Eigentlich wollen die Eltern ihre Kinder am liebsten zu Hause betreuen, wenn sie so klein sind. Anschließend schaffen Sie genau die Bedingungen, damit das eintrifft.
Die Eltern, vor allem die Mütter, bleiben zu Hause und betreuen ihre Kinder, weil die Qualität, die Sie mit diesem Gesetz in den Kindertageseinrichtungen anbieten, so schlecht ist. Sie betreuen ihre Kinder unter Verzicht auf Einkommen, berufliche Teilhabe und Karriere. Das ist Ihre Familienpolitik hier in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von der SPD)
Sie sagen: Mit den Buchungszeiten schaffen wir für die Eltern ein flexibles Angebot. – Tatsächlich aber legen Sie ein Finanzvolumen auf den Tisch, das das genaue Gegenteil erzielt. Für Träger entsteht so viel Planungsunsicherheit, dass Ihre Angebote eher starrer als flexibler werden. Tatsächlich steigt in Nordrhein-Westfalen der Bedarf nach echten Ganztagsplätzen, aber durch Ihr Gesetz haben die Träger deutlich größere Schwierigkeiten, diese Ganztagsplätze auch anzubieten.
Da hilft es den Eltern überhaupt nicht, Frau Doppmeier, dass wahrscheinlich die 25-Stunden-Angebote stark zunehmen werden, und die Öffnungszeiten flexibler. Denn eines ist klar: Wer hier flexibler werden muss, sind die Eltern. Die Eltern müssen nämlich in Zukunft schauen, wie sie Betreuung über Mittag und am Nachmittag organisieren. Das ist die Flexibilität, die Sie organisieren!
(Beifall von der SPD)
Sie sagen: Wir bringen mehr Wettbewerb in den Bereich der Kindertageseinrichtungen. Kommunen sollten frei sein zu entscheiden, wie hoch der Elternbeitrag ist; das schafft einen gesunden Wettbewerb. – Tatsächlich gibt es aber keinen Wettbewerb, sondern es gibt Kommunen, die deutliche Nachteile haben, und zwar von Anfang an in diesem Rennen, nämlich Kommunen in Haushaltsnotlagen. Denn die Eltern, die in diesen Kommunen leben, sind mit Ihrem Gesetz in der Situation, überhaupt nicht entscheiden zu können, wie lange ihre Kinder in die Kindertageseinrichtungen gehen können. Sie schaffen Bildungsnachteile von Anfang an. Es ist eben nicht so, dass die Kommunen in einen Wettbewerb treten. Die Wahrheit ist, die Familien und die Kinder in den Kommunen in Nordrhein-Westfalen treten in den Wettbewerb um ihre Bildungschancen. Das ist die Wahrheit über Ihr Gesetz.
(Beifall von der SPD)
Das ist besonders fahrlässig. Denn Sie wissen, wie sich der Elternbeitragsdefizitausgleich ausgewirkt hat, und Sie sind nicht in der Lage und nicht bereit, diese Fehlentscheidung zurückzunehmen.
(Zustimmung von der SPD)
Stattdessen kommen Sie mit einer pflaumenweichen Entschließung daher, deren gesetzliche Bindung gleich null ist. Und das ist – das muss ich Ihnen wirklich sagen – mein liebster Moment in diesem Gesetzgebungsverfahren: der Moment der Fraktionsvorsitzenden; denn jetzt kommt Kompetenz ins Spiel. Wie immer, wie Sie das auch schon bei der Gemeindeordnung und bei anderen gemacht haben, kriegen Sie Ihren Koalitionsstreit nur mit einer Entschließung über die Bühne gebogen, die dann tatsächlich nicht mehr und nicht weniger ist als eine Verpflichtungserklärung für Sie selber, die aber gesetzlich überhaupt keine Bindung hat. Das ist der Grund, lieber Herr Lindner, warum die Kirchen Ihre Drohgebärde mit großer Gelassenheit ansehen.
(Beifall von der SPD)
Herr Minister, deutlich geworden ist, dass Sie nach wie vor die Proteste und die Ängste der Betroffenen nicht ernst nehmen. Sie haben eben gesagt, dass Sie eine große und schwere Umstellung im System vorhaben. Aber Sie sind nicht bereit, Übergangslösungen zu schaffen oder das auch nur in irgendeiner Form aufzunehmen, sondern Sie diskutieren darüber hinweg und meinen, die Opposition hätte Ihnen die Proteste besorgt und organisiert. Wenn Sie mit den Menschen so umgehen, dann ist es in der Tat der Anfang vom Ende Ihrer Regierung.
(Beifall von der SPD)
Am Ende hilft da auch die Charmeoffensive der CDU vor dem Landtag nicht mehr; denn die Menschen fühlen sich durch Ihre Kampagne verhöhnt, insbesondere diejenigen, die betroffen sind, nämlich Familien, Erzieher und alle Menschen, die mit kleinen Kindern zu tun haben.
(Beifall von SPD und GRÜNEN)
Und, Herr Minister, das dicke Ende kommt noch: Denn in der Umsetzung wird sich erweisen, wie untauglich Ihr Gesetz ist. In Nordrhein-Westfalen gibt es keinen Schub für die Familienpolitik, keinen Schub für die Kinderbetreuungspolitik, sondern mit Ihrem Gesetz gibt es einen Umkehrschub: zurück in die 70er-Jahre. – Vielen Dank.
(Beifall von SPD und GRÜNEN)