Neue Sicherheit für unsere Kinder – Künf­tige Finanzierungsstruktur der Kindertages­einrichtungen und der Kindertagespflege

Herr Präsident!
Meine Damen und Herren!

Ich glaube, es gibt noch ein paar Dinge zu dieser Diskussion zu sagen. Wir wollen jetzt nicht in große Euphorie ausbrechen. Sie haben einen Konsens erzielt. Gut so, aber auf der anderen Seite habe ich mich gefragt: Wie, wenn nicht im Konsens, wollen Sie bei 70 % Einrichtungen in freier Trägerschaft hier im Land überhaupt ein neues Kindergartengesetz auflegen?

(Beifall von der SPD)

Vor diesem Hintergrund ist das für mich – wie soll ich es nennen? – State of the Art; das ist die Technik. Wenn Sie es nicht im Konsens machen, fliegt Ihnen dieser Frikadellenschuppen ohnehin um die Ohren. Es ist also Pflicht eines Ministeriums, das sich Kinder‑ und Jugendministerium nennt, den Konsens zu suchen.

(Beifall von der SPD)

Allerdings haben Sie den Konsens nicht mit uns als Opposition geschlossen. Deshalb wird uns Kritik erlaubt sein; das ist unsere parlamentarische Aufgabe.

Frau Asch hat an dem Verfahren, das ein wenig seltsam anmutet, Kritik geübt. Im ersten Haushaltsverfahren schaffen Sie den Ständigen Ausschuss ab, um sich dann im Prinzip mit genau dem gleichen Kreis zusammenzusetzen, dem Sie erst mal Eckpunkte „vor den Latz knallen“, um die Reaktion zu testen. Dann ziehen Sie die Eckpunkte weg, fangen ein Moderationsverfahren an und erzählen heute: Hurra, ich habe einen Konsens erzielt.

(Beifall von der SPD)

Das ist unter machiavellistischen Gesichtspunkten sicherlich ein kluges Vorgehen. Aber im Großen und Ganzen ist es an vielen Punkten kein demokratisches Verfahren in der Art und Weise, wie Sie es hier gerade dargestellt haben.

An den Eckpunkten ist – jedenfalls bis jetzt – an keiner Stelle erkennbar, wie die frühkindliche Bildung gestärkt werden soll. Es ist ein instrumentalistisches Darstellen genau dieser Punkte. Die frühkindliche Bildung – so stand es auf Ihrem Sprechzettel – soll dadurch verbessert werden. Schade ist nur: Eine ganze Reihe von Fachleuten, die nicht alle der Sozialdemokratie oder den Grünen nahe stehen, wie Sie richtig festgestellt haben, sind der Auffassung, dass es in diesem Land an breiter Front zu einem Qualitätsabbau kommen wird.

(Beifall von der SPD)

Natürlich handelt es sich um stark generalisierte Regelungen. Das ist bei Eckpunkten auch nicht anders zu erwarten. Eines steht jedenfalls fest: Sie nennen es Kindpauschalen, schlagen aber Gruppenpauschalen vor. Kindspezifische Indikatoren sind nur bei der Sprachförderung und bei behinderten Kindern vorgesehen.

Ich habe mir im Ausschuss vorführen lassen, wie Sie den Pauschalbetrag bzw. das, was Sie Pro-Kind-Förderung nennen, berechnen. Sie teilen den Pauschalbetrag durch die Anzahl der Kinder, zum Beispiel durch 20 oder 25. Nur: Das ist keine Kindpauschale, sondern Etikettenschwindel. Die Folgen einer reinen Kindpauschale, die ich nicht haben will, können Sie sich im Bayerischen Kindertagesstättengesetz – BayKiBiG – ansehen. Also: Wir sind froh, dass Sie mit dem Konsenspapier jedenfalls von Ihren Kindpauschalen oder Pro-Kopf-Pauschalen abgewichen sind.

Die Gruppenpauschalen, die vorgeschlagen werden, weisen nach unserer Auffassung grundsätzlich in die richtige Richtung. Aber für viele Träger sind aufgrund der generalisierten Darstellung noch viele Fragen offen, zum Beispiel die Frage: Was wird aus den heutigen kleinen altersgemischten Gruppen? – Denn Sie müssen doch sagen, dass in Zukunft einfach eine andere Entwicklung nötig ist.

Weitere ungeklärte Probleme sind:

Die Freistellung von Leitungen ist vielfach gegenüber der heutigen Situation nicht auskömmlich.

Wie werden Vertretungen bei Krankheit und breitere Öffnungszeiten von 50 Stunden und mehr – die gibt es – geregelt?

Wie werden Kinder in der Sprachförderung zukünftig in den Kindertageseinrichtungen aufgenommen werden?

Die Frage der Schaffung von U3-Plätzen versuchen Sie aus dem System heraus zu beantworten. Wie sich das tatsächlich entwickelt, werden wir sehen. Darüber verhandeln wir miteinander, wenn das Gesetz vorliegt.

Sie schlagen gestaffelte Öffnungszeiten vor: 45 Stunden, 35 Stunden, 25 Stunden. Die 25 Stunden werden nur eingeführt, weil die Eltern, die den erhöhten Elternbeitrag nicht aufbringen können, ihr Kind dann nicht ganz abmelden müssen. Ihr Kind kann wenigstens noch 25 Stunden – also fünf Stunden am Tag – eine Kita besuchen. Das ist wirklich eine tolle Lösung, die Sie da vorschlagen.

(Beifall von der SPD)

Wenn Sie mir das nicht glauben, dann schauen Sie sich einmal den Elternbeitragssatzungsentwurf der Stadt Essen an, der genau die 25-Stunden-Lösung darstellt! Vor dem Hintergrund sage ich Ihnen: Die 25 Stunden haben überhaupt nichts damit zu tun, dass Sie dem Elternwillen in irgendeiner Form entgegenkommen wollen, sondern Sie versuchen dadurch auszumerzen, was Sie durch Ihre beiden Haushalte 2006 und 2007 ausgelöst haben, dass nämlich die Zahl der Kinder in den Einrichtungen gesunken ist.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Noch etwas zu dem Elternbeitrag: Wie man das von Ihnen so bezeichnete modernste Kindergartengesetz Deutschlands auflegen kann, darin aber bis 2011 auf jeden Fall einen Elternbeitragsanteil festschreiben kann, ist mir ein Rätsel. Eines steht auch fest: Ich sowie meine Kolleginnen und Kollegen finden es nach den beiden Diskussionen zu den Haushalten unverantwortlich, den Elternbeitragsanteil auf 19 % festzusetzen, obwohl Sie mittlerweile kommunenscharf wissen, welche Kommunen nicht in der Lage sind, überhaupt einen Elternbeitrag von 13 % zu erreichen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wie beim Schulgesetz wollen Sie in Zukunft auch beim Kindertagesstättengesetz den Geldbeutel der Eltern und die Himmelsrichtung, wo die Kinder groß werden, zur entscheidenden Grundlage machen. In diesem Konsenspapier steht nichts von Chancengleichheit. Es hat mit Chancengleichheit nichts mehr zu tun, wenn es auf Elternbeiträgen fußt.

(Beifall von der SPD)

Selbst wenn es bei Pauschalen immer Gewinner und Verlierer gibt – lassen Sie mich das noch sagen –, ist festzuhalten, dass die vorgeschlagenen Pauschalen, wenn sie tatsächlich besondere Lebenslagen abbilden sollen, an vielen Stellen nicht auskömmlich sein werden. Das, was Sie mir gerade für die beispielhaft genannten Städte vorgerechnet haben, glaube ich erst, wenn ich es zu Hause mit meinen örtlichen Rechenkünstlern – so will ich die mal bezeichnen – nachvollzogen habe.

Sie verankern die Tagespflege im Gesetz. Das ist nicht zu kritisieren, da sich das aus dem TAG ergibt. Aber eines steht auch fest: Ob ein Stundenlohn von 4 €, der am Ende rauskommen wird, die qualitative Betreuung und die qualitativen Betreuungspersonen hergeben wird, wird sich noch zeigen. Insofern wird das eine spannende Diskussion, und es bleibt bei unserer kritischen Haltung.

(Beifall von der SPD)

Sie senken die kirchlichen Trägeranteile auf 12 %. Aber – das ist auch richtig beschrieben worden – das bildet die Realität in den Kommunen in weiten Teilen schon ab. Viele Kommunen übernehmen schon heute die Trägeranteile der Kirchen ganz oder auf jeden Fall zu zwei Dritteln. Dabei verschweigen Sie jedoch, dass diese Absenkung des Trägeranteils schon den größten Teil Ihrer Haushaltserhöhung von 140 Millionen €, die Sie schildern und für die Sie sich feiern lassen, auffrisst, nämlich 85 Millionen €. Dann sind wir bei der wirklichen Erhöhung, die dieses Gesetz bringen soll, weil Sie mit den kirchlichen Trägeranteilen nichts anderes machen, als das System zu halten.

Ich komme zum Schluss. Ich gratuliere dem Minister dafür, dass er 2008 wieder insgesamt so viel Geld zur Verfügung hat wie 2005. Das, was Sie da hingelegt haben, ist ganz großes Kino.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Glauben Sie ehrlich, dass Ihnen die Menschen diese Taschenspielertricks, die sich in Ihren Papieren verbergen, durchgehen lassen werden? – Selbst wenn es die Menschen nicht merken würden: Verlassen Sie sich auf uns als Opposition. Wir werden es Ihnen haarklein vorrechnen.

(Beifall von der SPD)

Zum Entschließungsantrag der Grünen: Wir werden uns heute bei der Abstimmung darüber enthalten. Denn ich bin mir ziemlich sicher, dass uns die Gesetzesvorlage des Ministeriums einen weit umfänglicheren Entschließungsantrag bescheren wird, der uns gemeinsam Gelegenheit geben wird, noch viele andere Punkte darstellen zu können. Insofern kommt dieser für uns heute zu früh. – Vielen Dank.