
[Es gilt das gesprochene Wort]
Anrede,
die Koalitionsfraktionen wollen in ihrem Antrag die Tagespflege stärken und qualitativ aufwerten, das ist schon lange insbesondere die Position der CDU und damit wirklich nichts Neues. Interessant ist allenfalls der Zeitpunkt zu dem sie Ihren Antrag einbringen. Dazu sage ich später noch einiges.
In Ihrem Antragstext stellen Sie die These auf, dass der Tagespflege eine immer größere Bedeutung zukomme in NRW und dass der Bedarf bei weitem das Angebot übertreffe.
Nun ja, warum ist der Bedarf wohl so hoch, weil der Bedarf an Betreuungsplätzen für Unterdreijährige insgesamt enorm gestiegen ist und in NRW wie in vielen westlichen Bundesländern die Deckung dieses Bedarfs gerade einmal bei 2,8% liegt. Ich mache das der Landesregierung nicht zum Vorwurf, aber machen Sie dies auch nicht der alten Landesregierung zum Vorwurf, denn schauen Sie sich die anderen westlichen Bundesländer im Vergleich an die Quoten sind überall vergleichbar niedrig. Es handelt sich, um ein kollektives Verschlafen einer Entwicklung in Westdeutschland insgesamt.
Und ob zum Beispiel die von Ihnen immer wieder ins Feld geführten Maßnahmen bei der Budgetvereinbarung an diesem Zustand wirklich zu Verbesserungen geführt haben, lässt sich bislang an keiner Stelle nachweisen.
Wir haben die Tagespflege nicht vernachlässigt, sondern wir haben auf die Anforderungen und Erwartungen der Eltern reagiert und die institutionelle Betreuung versucht auszubauen.
Der Druck auf die Betreuungsplätze für Unterdreijährigen besteht vor allem auf die Kindertageseinrichtungen im Land und erst im zweiten Schritt suchen die Eltern dann nach Alternativen: zum Beispiel einer Tagesmutter. Auf Ihre These bezogen bedeutet dies, wenn es mehr Plätze in Einrichtungen gibt, wird auch die Nachfrage nach Tagespflegeplätzen sinken. Eltern erwarten, das zeigen die Elternbefragungen in den Kommunen, ein Angebot in Kindertageseinrichtungen und wenn Sie dies nicht erhalten können, dann suchen Sie nach Unterstützung nach, bei der Vermittlung von Tagesmüttern.
Eltern erwarten ein qualifiziertes Angebot durch ausgebildete Erziehrinnen in geeigneten Räumen, bei anerkannten Trägern und deshalb ist auch für viele Eltern die Tagespflege nur eine Notlösung. Oft ist dies vielleicht, mit Blick auf viele engagierte Tagesmütter und Väter unberechtigt, aber die Realität ist nun einmal so – Eltern wollen das beste Angebot für Ihr Kind.
Anrede,
In Ihrem Antrag stellen Sie die These auf, dass insbesondere Eltern von Säuglingen und Kleinkindern die Tagespflege als individueller Form beanspruchen.
Unsere Gegenthese: das wird sich durch das Elterngeld dynamisch verändern. Das bisherige Erziehungsgeld führte ja zu der Situation, dass rund ein Drittel der Eltern überhaupt kein Erziehungsgeld bekamen. Das sind die Eltern, denen schon nach dem Mutterschutz ein erheblicher Teil ihres bisherigen Einkommens fehlt und dies sind vielfach die Eltern, die noch in der Säuglingsphase einen Betreuungsplatz brauchen.
Ich habe dies im eigenen Familien- und Freundeskreis erlebt. Einen Betreuungsplatz für ein Kind unter einem Jahr zu finden ist fast aussichtslos.
Was bleibt dann also anderes als eine Tagesmutter zu suchen, vor allem dann, wenn keine Großeltern oder Verwandte zur Stelle sind. Meist als Überbrückung, bis das Kind einen Platz in einer KiTa bekommt. Das Elterngeld erhalten alle Eltern für 12-14 Monate. Zwar verzichten auch dann die Eltern zu einem gewissen Teil auf ihr Einkommen. Aber insbesondere diejenigen, die überhaupt kein Erziehungsgeld in der Vergangenheit bekommen haben, erfahren jetzt eine deutliche Besserstellung durch das Elterngeld. So glaube ich, dass der Druck im ersten Lebensjahr also deutlich nachlassen wird. Was aber nicht heißen soll, dass es überhaupt keine Nachfrage mehr nach Betreuung von Kleinkindern geben wird.
Wir glauben, dass dieser Bedarf durchaus von Tagespflegepersonen sogenannten Tagesmüttern gedeckt werden kann, aber wir halten dies perspektivisch für die zweitbeste Lösung.
Lassen Sie mich dies kurz erläutern: In der Regel findet die Betreuung durch Tagesmütter ja in den jeweiligen Wohnungen der Tageseltern statt. Sie nennen dies in ihrem Antrag der "Familienstruktur sehr ähnlich". Bedenken sie bitte dabei, dass es kaum eine Familie gibt, in der zwei, drei oder mehr Kleinkinder von 0-1 oder 2 Jahren zu finden sind, wenn man von Mehrlings-Geburten absieht.
Eine solche Situation und sie ist ja Realität, da die Tagesmütter heute ja für sich auch ein akzeptables Einkommen erzielen müssen, also werden sie mehr als ein Kind in Tagespflege nehmen. Eine solche Gruppe von Kindern in derselben Alters- und Lernphase kann sich auch als anregungsarm auswirken. Sämtliche Untersuchungen zu Altersmischungen in Gruppen belegen dies. Wenn man sich dann noch die Ergebnisse der Hirnforschung ansieht und weiß dass in dieser frühen Phase eine wichtigsten Lernphasen stattfindet, die Wissenschaft spricht von "Zeitfenstern für Lernerfahrungen", dann weiß man, dass die landläufige Meinung, dass ein bisschen Windeln wechseln, Füttern und Behüten ausreicht, schlicht falsch ist und gerade auch in diesem frühen Stadium eine qualitativ hohe Betreuung notwendig ist.
Bildung beginnt vom ersten Lebenstag an. Eine stufenweise Entwicklung von Behüten über Betreuung hin zum Lernen, ist ein pädagogisches Konzept aus dem letzten Jahrhundert. Beim Personal muss das Konzept für die Zukunft heißen: Die Besten für die Kleinsten. Und deshalb wird eine noch so anspruchsvolle Kurzausbildung für Tagesmütter nicht ausreichen, diese wichtige frühe Lernphase angemessen zu begleiten.
Dies ist auch der Grund, warum man bei einigen Programmen der Beschäftigungsförderung sehr aufmerksam hingucken muss, denn die Aufgabe erfordert eine hohe Qualifikation und kann eben nicht nur unter dem Aspekt der Arbeitsbeschaffung gesehen. Die Lernbedürfnisse der Kinder müssen qualifiziert begleitet und geleitet werden.
Sie sprechen in ihrem Antrag davon, dass Tagespflege auch eine Option für Kinder sei, die nicht Gruppenfähig sind. 10 – 15 % der Kinder kommen mit einer Gruppenstruktur nicht klar oder haben erhebliche Anlaufschwierigkeiten. Dies kann so sein, nur bleibt dann die Frage, wie muss eine Tagespflegestelle ausgestattet sein, um für diese Kinder ein Angebot werden zu können. Es geistern ja Gerüchte durchs Land, dass der Fördersatz für Tagespflege im zukünftigen GTK 725 € betragen soll. Dann kann sich Tagespflege nur rechnen, wenn mehrere Kinder betreut werden, bleibt abzuwarten ob die Gruppenfähigkeit von Kindern wirklich von der Gruppengröße abhängt, ich habe da erhebliche Zweifel.
Lassen Sie mich nun zu der von Ihnen geforderten Qualifikation der Tagespflegepersonen kommen. Sie lehnen sich in Ihrem Antrag an den Curricularen Empfehlungen des DJI an, das ist Allgemeingut, wer will da widersprechen. Das heißt sie fordern insgesamt 160 Unterrichtseinheiten. Sie fordern, dass Module angeboten werden, die die Lernfelder abbilden, wie "Schaffung einer beruflichen Identität", "Anforderungsprofil an die Tagespflegperson", "Rahmenbedingung für die Kinderbetreuung in Tagespflege", "Kinderbetreuung in Tagespflege aus Sicht des Kindes", auch "Sicht der Eltern" usw…
Richtig so: Aber soll dies nun verbindlich gesetzlich geregelt werden im GTK, oder soll es bei der eher unverbindlichen Handlungsempfehlung des Bundes bleiben.
Was verstehen sie unter Verankerung? Wollen sie die örtlichen Jugendhilfeträger also die Kommunen gesetzlich verpflichten Tagespflege auszubauen und entsprechende Bildungsangebote vorzuhalten? Wenn ja, warum sagen sie das nicht offen, die kommunale Familie wird sich sicher sehr dafür interessieren, wie weit Sie sie in diesem Bereich in die Pflicht nehmen wollen.
Wie stellen Sie sich denn eine finanzielle Förderung vor, in welcher Höhe und wie viel sollen die Kommunen drauf legen. Halten sie 725 € für eine ausreichende Betrag, der qualifizierte Tagespflege sicherstellt? Es ist doch notwendig von Anfang an deutlich zu machen, dass Tagespflege nicht zur preiswerten Ausweichmöglichkeit wird, bei Schwierigkeiten des strukturellen Umbaus für mehr U3-Plätze. Es darf doch nicht beliebig werden, wie die Tagespflege in den Kommunen gestaltet ist. Das schadet doch der Tagespflege und den Tagespflegepersonen gleichermaßen, wie es auch die Vorbehalte der Eltern nur noch verstärken würde.
Anrede,
Auch etwas vage scheint mir Ihre Forderung nach Anbindung an institutionelle Betreuungsangebote. Sollen Tagesmütter und -väter an KiTas angehängt sein, sollen Sie Beschäftigte der Träger werden. Können Sie als CDU und FDP sich beispielsweise auch einer Idee annähern, in KiTas in Randzeiten und außerhalb der Betreuungszeiten das Angebot ergänzen?
Alles ist ja denkbar und auch da hätte ich mir konkretere Vorschläge von Ihnen gewünscht. Denn das sind doch die Fragen, die sich stellen wenn man die Tagespflege in ein Gesetz für Kindertageseinrichtungen aufnehmen will. Ich finde sie sind in ihren Anforderungen an ein Handlungskonzept, das die Landesregierung entwickeln soll, erstaunlich verhalten. Wenn, wie Frau Kastner in ihrer Pressemitteilung verkündete, endlich ihre Vorstellungen umgesetzt werden können, dann hätte ich gerne mal gewusst, was Ihre Vorstellungen sind, aber es kommt nichts.
Ich will Ihnen mal einige Punkte nennen auf die wir uns im Fachausschuss durchaus verständigen können: Die örtlichen Jugendhilfeträger orientieren sich am Curriculum des DJI und bieten über geeignete Träger der Erwachsenenbildung eine modularisierte Aus-, Fort- und Weiterbildung für Tagespflegepersonen an. Die Träger von Tageseinrichtungen erhalten die Möglichkeit, sich an Programmen zur Ausbildung von Tagespflege zu beteiligen und durch geeignete Tagespflegepersonen außerhalb der Betriebszeiten in ihren Einrichtungen Betreuungsangebote vorzuhalten. Land und Kommunen verpflichten sich im institutionellen Bereich die Plätze für Unterdreijährige auszubauen. Aber Tagespflege ist immer optional und tritt nicht an die Stelle von Regelangeboten!
Anrede,
Nun zum Zeitpunkt Ihres Antrags: Wir sind ja in der Vorphase der GTK-Novelle Und da finde ich es schon erstaunlich, dass sie jetzt diesen Antrag bringen. Offensichtlich haben Sie doch wohl Sorge die Landesregierung könnte bei Ihrem Gesetzesentwurf die Tagespflege nicht deutlich genug betonen, sonst würden sie sich doch nicht zu einem solchen Antrag genötigt sehen.
Oder ist es, schlimmer noch, so, dass sie erkennen müssen, dass sie mit der GTK-Novelle möglicherweise nicht zu einem nennenswerten Ausbau im Bereich der Unterdreijährigen kommen können, im Gegenteil ein erheblicher Verlust an Plätzen im Bereich der 3-6jährigen zu befürchten ist und sie deshalb die Tagespflege schon mal als Kompensation ins Gesetz einbringen wollen, damit sie am Ende nicht ganz mit leeren Händen dastehen?
Niemand hat etwas dagegen die Tagespflege ins GTK aufzunehmen, ihr mehr Anerkennung zu verleihen und die Tagespflegepersonen zu qualifizieren, das ist sozusagen die Pflicht – denn dies ergibt sich schon allein aus dem TAG. Aber versuchen Sie nicht mit der Tagespflege die institutionelle Betreuung Unterdreijähriger zu ersetzen, das ist etwas was wir Ihnen nicht durchgehen lassen werden und ich bin sicher, die Eltern in NRW auch nicht.