Erfolgreiche Integrationspolitik in NRW durch die Einführung eines Integrationsgesetzes weiterentwickeln und sicherstellen!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Ziel von Integrationspolitik ist nach unserer Überzeugung, die politische, soziale und ökonomische Gleichstellung der Menschen mit Migrationshintergrund und ‑geschichte zu erreichen.

Es geht nicht nur darum, die Bildung von sozialen und kulturellen Randgruppen, sogenannten Parallelgesellschaften, zu verhindern, sondern um die Aufnahme in die Mitte der Gesellschaft. An der Stelle wird immer gerne die Frage gestellt: Was ist die Mitte der Gesellschaft? Ich möchte diese Diskussion viel lieber führen als Debatten um Leitkultur. Die Frage nämlich, was wir unter der Mitte der Gesellschaft verstehen, ist, glaube ich, die eigentlich interessante Frage. Dazu gibt es sehr viel zu sagen.

Es ist aus Sicht der Sozialdemokraten eines klar: Am Beginn jedweder Integrationspolitik und Integrationsprozesse muss stehen, dass Migrantinnen und Migranten, Menschen, die in die Bundesrepublik kommen, sich ein Stück klar darüber werden, was die Bundesrepublik, diesen Staat und die Geschichte und Kulturgeschichte dieses Staates ausmachen. Ich verlange nicht bei Einreise, dass es da irgendwelche Bekenntnisse und Schwüre gibt, aber ganz sicher ist es notwendig, dass sie sich damit auseinandersetzen. Und es ist notwendig, dass man ihnen die Möglichkeit gibt, sich zum Beispiel über Integrationskurse damit auseinanderzusetzen, um die Gesellschaft, in die sie kommen, kennenzulernen.

Deshalb unterstützt meine Fraktion ausdrücklich die Bundesregierung darin, die Integrationskurse von 600 auf 900 Stunden anzuheben. Dann ist es tatsächlich möglich, diesen Dingen einen breiteren Rahmen einzuräumen. Wir glauben auch, dass das nötig ist.

Die Integration in die Mitte der Gesellschaft findet vor allen Dingen in den folgenden Bereichen statt: beim Zugang zu Bildung, Sprachförderung, Arbeitsmarkt, bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und auch – wie wir gestern erlebt haben – beim Umgang mit der Religion und mit der Kultur der Migranten. Wir setzen dabei auf Anerkennung, auf eine Kultur der Anerkennung statt auf Toleranz, die auch leicht Gleichgültigkeit werden kann.

Integration löst Veränderungsprozesse in unserer Gesellschaft aus. Das ist die Frage, vor der wir nicht nur beim Zuwanderungsgesetz stehen, sondern auch bei allen Punkten, bei denen es um praktische Integration geht, also bei der Frage, wie weit die Veränderungen in der aufnehmenden Gesellschaft gehen können und gehen sollen. Trotzdem ist es aber so, dass sich eine Gesellschaft durch Integration und durch Zuwanderung verändert und verändern wird. Diesen Veränderungsprozess zu organisieren und zu steuern ist Aufgabe von Politik, ist Aufgabe von Integrationspolitik.

Deshalb lassen Sie mich an dieser Stelle einmal sagen, dass es natürlich niemanden in der SPD-Fraktion gibt, der zum Beispiel möchte, dass in Zukunft Sportunterricht grundsätzlich geschlechtergetrennt stattfindet. Das würde kein Mensch wollen, und das ist auch absoluter Unsinn.

Aber es geht darum zu verhindern, dass es ein systematisches Unterlaufen der Schulpflicht gibt, in dem man an diesen Stellen versucht, die Mädchen an der Teilnahme von Sportunterricht zu hindern.

Vor diesem Hintergrund kann es eine Überlegung des einzelnen Schulleiters der jeweils einzelnen Schule sein, ob es nicht Sinn machen und die Eltern auch ein Stück zur Auseinandersetzung mit den Unterrichtsinhalten zwingen kann, wenn man den Eltern sagt, der Hinweis, gemischtgeschlechtlichen Sportunterricht erlaube die Religion nicht, reiche nicht aus, sondern sie müssten begründen, warum sie die Mädchen ab einem bestimmten Alter nicht mehr am Sportunterricht teilnehmen lassen wollten.

Um das klarzustellen: Die SPD-Fraktion ist einstimmig der Auffassung, dass die Teilhabe am Sportunterricht wichtig ist: im Sinne von Gesundheitsvorsorge, im Sinne von Bewegungsförderung und anderer Dinge. Deshalb ist es insbesondere gut, wenn die Mädchen an diesem Unterricht teilnehmen.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

– Nein, Herr Lindner, das habe ich gerade ausgeführt. Wenn Sie da gewesen wären, hätten Sie es auch mitbekommen.

(Christian Lindner [FDP]: Ich war doch hier!)

Wir wollen nicht separieren, sondern wir wollen die Option eröffnen, die Schulpflicht nicht zu unterlaufen. Das ist der Hintergrund.

Meine Damen und Herren, wir finden es richtig, dass sich die Landesregierung den Ansatz der rot-grünen Regierung zu eigen gemacht hat und ihn fortführt, dass das Land es als seine Aufgabe betrachtet, die Kommunen bei der Integration der Menschen, die schon länger in Deutschland leben, zu unterstützen. Die Aufgabenteilung sieht so aus: Der Bund kümmert sich vor allen Dingen um die Fragen der Neuaufnahme der Neuzuwanderer. Das Land erkennt an, dass die Kommunen bei der Integration der Menschen, die bereits länger hier leben, Unterstützung brauchen.

Herr Laschet, Sie wissen, ich schätze Ihre Arbeit, und ich schätze auch viele, viele Dinge, die Sie in der Integrationspolitik für diese Landesregierung gemacht haben. Nur manchmal – das werden Sie mir verzeihen – gucke ich natürlich ein bisschen gequält, wenn ich Sie dabei beobachte, wie Sie so tun, als ob die Tatsache, dass Sie sich Integrationsminister nennen können, sozusagen der Ausweis dafür wäre, dass Sie die Integrationspolitik erfunden hätten. – Das ist nicht so.

In der Diskussion heute geht es ganz konkret eben auch darum, Integration für die Menschen hier in diesem Land praktisch und handhabbar zu gestalten.

Meine Fraktion findet den von der Landesregierung vereinbarten und von Ihnen vorgelegten Aktionsplan ausgesprochen gut. Ausgesprochen wohltuend unterscheidet er sich auch von den bisherigen Versuchen insbesondere der CDU, konkrete Maßnahmen für die Integrationspolitik zu definieren. Ich erinnere nur an Ihren Gesetzentwurf eines Integrationsgesetzes, das am Ende eigentlich mehr ein Integrationsbeauftragtenberichtsgesetz war. So kommen wir nicht weiter. So sind wir auch nicht weitergekommen.

Deshalb meine ich, dass wir jetzt mit Erreichen der Evaluationsphase des Zuwanderungsgesetzes an dem Punkt sind, an dem das Land die Maßnahmen, die es als seine Aufgabe ansieht, verbindlicher formulieren muss. Es geht nach unserer Auffassung bei einem Integrationsgesetz eben um mehr Verbindlichkeit; jedenfalls um mehr Verbindlichkeit, als ein Aktionsplan sie bringen kann.

Welche Dinge gehören in ein solches Gesetz? – All die Dinge, die bei der Integration der bereits länger hier lebenden Menschen helfen und die auch den Kindern und den nächsten Generationen die Möglichkeit geben, in der Mitte der Gesellschaft zu leben und anzukommen.

Sprachförderung – nicht nur für Kinder, sondern auch für die Erwachsenen – ist ein wichtiger Aspekt, außerdem die Förderung und Absicherung der Regionalstellen und die Sicherung und Förderung der Migrantenselbstorganisation; wobei wir Sozialdemokraten immer sagen: Die Migrantenselbstorganisation ist kein Selbstzweck, sondern sie muss darauf gerichtet sein, tatsächlich zur Integration in diesem Land beizutragen. Diese Auseinandersetzung führe ich persönlich und führen viele meiner Kolleginnen und Kollegen immer wieder auch mit Migrantinnen und Migranten. Denn Migrantenselbstorganisation ist ein weites Feld.

Islamischer Religionsunterricht ist das Ziel, das wir alle hier in diesem Haus verfolgen. Die Förderung der islamischen Unterweisung gehört in das Integrationsgesetz.

Die Absicherung und Förderung der partnerschaftlichen Projekte mit den Kommunen, das sogenannte „KOMM-IN-Programm“, ist ebenfalls ein Punkt, bei dem ich der Landesregierung dankbar bin, dass sie ihn fortschreibt. Ich könnte allerdings ein bisschen ehrlicher mit Ihnen umgehen, hätten Sie einmal die Größe zuzugeben, dass Sie dieses „KOMM-IN-Programm“ nicht erfunden haben, sondern es noch unter der alten Landesregierung auf den Weg gebracht worden ist.

Die Unterstützung und Absicherung der Migrationsfachdienste ist auch ein wichtiger Punkt, der in ein solches Integrationsgesetz gehört.

All die von mir genannten Punkte – sicherlich kann man über andere auch noch diskutieren – sind im Aktionsplan der Landesregierung durchaus erwähnt. Einige Punkte finden auch in der CDU/FDP-Entschließung Berücksichtigung. Aber wir wollen mehr Verbindlichkeit in der CDU/FDP-Entschließung –

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

wenn Sie sie denn für Ihren Seelenfrieden brauchen, Herr Lindner.

Ziel muss es darüber hinaus sein, das Landesaufnahmegesetz in ein Integrationsgesetz einzubinden, um auch bereits länger in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen lebende Menschen bei der Verwendung der Mittel aus dem Landesaufnahmegesetz berücksichtigen und dabei auf die geänderten Anforderungen durch weniger Zuweisungen reagieren zu können.

Diesbezüglich unterscheiden wir uns ein bisschen von der Zielsetzung von Bündnis 90/Die Grünen. Denn wir sagen: Wie man mit der Landesstelle in Unna-Massen umgeht, darüber müssen wir diskutieren, aber man sollte nicht das Integrationsgesetz als Anlass dafür nehmen, sondern im Zuge der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes – und da geht es um Neuzuwanderer – darüber reden. Ich sehe auch durchaus Notwendigkeiten und Möglichkeiten, über Unna-Massen zu reden. Aber unser Ziel muss es immer sein, so viel Mittel wie möglich im System zu halten, damit wir die Menschen, die schon länger in der Bundesrepublik leben, hier im Lande auch mit besseren Maßnahmen versorgen können.

Wir wollen in der Integrationspolitik im Land einen Schritt weiterkommen und für die Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte das Zusammenleben durch konkrete Maßnahmen und Gesetzesvorhaben erleichtern.

Da kann nach unserer Einschätzung ein Integrationsgesetz ein deutlicher Schritt nach vorne sein. Ich weiß, dass Sie in der vergangenen Legislaturperiode als Ausfluss aus der Integrationsoffensive auch schon einmal einen solchen Vorstoß unternommen haben.

Der CDU/FDP-Antrag versucht wenigstens, die wichtigen Teile des Aktionsplans als Initiative dieses Hauses zu übernehmen. Dies verstehe ich voll, aber ich meine, dass der Zeitpunkt wirklich gut ist, um ein Integrationsgesetz aufzulegen, weil wir jetzt in der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes an einigen Punkten wirklich deutlich machen können, wie sicher und verlässlich wir die Politik in Nordrhein-Westfalen im Bereich Integration gestalten wollen. – Danke schön.